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Landkreis Ansbach: Archäologen finden 1400 Jahre alten Klappstuhl - wie in "Der Schuh des Manitu"


Autor: Ralf Welz

Steinsfeld, Dienstag, 30. August 2022

Bei einer Grabung im Landkreis Ansbach haben Archäologen einen 1400 Jahre alten Klappstuhl entdeckt. Der spektakuläre Fund erinnert an eine bekannte Szene aus dem Kinohit "Der Schuh des Manitu".
Im Landkreis Ansbach haben Archäologen in einem frühmittelalterlichen Frauengrab einen 1400 Jahre alten Klappstuhl entdeckt. Davon existieren nur ganz wenige Exemplare in Europa. Im Bild: der freipräparierte Block mit Klappstuhl.


  • Bei Grabung im Landkreis Ansbach: Archäologen gelingt Sensationsfund
  • Wie in "Der Schuh des Manitu": Team stößt auf 1400 Jahre alten Klappstuhl
  • "Eine absolute Seltenheit": Entdeckung aus Mittelalter sorgt für Begeisterung
  • Experte erfreut - zweiter Fund dieser Art in Deutschland überhaupt

In Mittelfranken hat eine archäologische Grabung einen spektakulären Fund zutage gefördert. In Endsee, einem Teil der Gemeinde Steinsfeld (Landkreis Ansbach), hat ein Archäologenteam ein Frauengrab aus dem Frühmittelalter entdeckt. Das berichtet das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege am Montag (29. August 2022). In dem rund 1,3 mal 2,7 Meter großem freigelegtem Grab befand sich demnach ein eisernes Gestell, das sich bald als 1400 Jahre alter Faltstuhl herausstellte. Die Fachbehörde spricht von einem "außergewöhnlichem Fund", von dem nur ganz wenige Exemplare in Europa existierten.

Grabung in Endsee: Archäologen stoßen auf historischen Klappstuhl - wie in "Der Schuh des Manitu" 

"Grabt den Klappstuhl aus!", hieß es im August auf der archäologischen Grabung in Endsee. Mit der bekannten Filmszene aus dem Comedy-Hit "Der Schuh des
Manitu" habe dieser außergewöhnliche Fund aber nichts zu tun, hält das Landesamt augenzwinkernd fest. Laut Angaben des Amts misst der Klappstuhl in seinem gefalteten Zustand etwa 70 mal 45 Zentimeter groß und stammt aus der Zeit um 600. "Es ist der zweite Fund eines eisernen Klappstuhls aus dem Frühmittelalter in Deutschland überhaupt", erklärt Generalkonservator Prof. Mathias Pfeil, Leiter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege.

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"Dieser auf den ersten Blick so neuzeitlich wirkende Fund ist eine absolute Seltenheit und von höchstem kulturhistorischem Interesse." Laut Pfeil gibt er Einblick in die Grabausstattung herausgehobener Bevölkerungsschichten und in den frühen Gebrauch von Möbeln. Die wissenschaftliche Grabung, die vom Landesamt fachlich betreut wurde, fand im Zuge von Baumaßnahmen im Gewerbepark Rothenburg-Endsee statt. Der Klappstuhl wurde als Grabbeigabe einer weiblichen Bestattung vorgefunden.

Bei der Toten handelt es sich nach erster anthropologischer Einschätzung um eine im Alter von 40 bis 50 Jahren verstorbene Frau. Diese trug um ihren Hals eine Perlenkette aus kleinen mehrfarbigen Glasperlen. An ihrem Gürtel befand sich ein Gehänge, unter anderem mit zwei Bügelfibeln, einer Almandinscheibenfibel, einer großen Millefioriperle und einem Spinnwirtel. Neben dem Klappstuhl, der zu Füßen der Toten deponiert war, lag ein Tierknochen. Laut Einschätzung des Landesamts handelt es sich vermutlich um die Rippe eines Rindes als Teil einer Fleischbeigabe. "Reste einer Holzverschalung lassen auf eine geschlossene Grabkammer schließen", heißt es vonseiten der Fachbehörde.

Historischer Fund wird im Kreis Bamberg untersucht: Restauratoren legen Stuhl nach und nach frei

Neben dem Frauengrab legten die Archäologen ein Männergrab frei, das sich in nahezu paralleler Anordnung und West-Ost-Ausrichtung befand. Dem Verstorbenen waren neben seinem Leibgurt mit Bronzeschnalle und Gürteltasche eine komplette Waffenausstattung (Lanze, Schild, Spatha) und ein Beinkamm beigegeben. 

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Restauratoren untersuchen nun den als Block geborgenen Klappstuhl in den Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Memmelsdorf (Landkreis Bamberg). Dort soll er von den Experten nach und nach freilegt werden. "Es ist zu erwarten, dass Röntgenaufnahmen Aufschluss über die Beschaffenheit des Stuhls geben werden", kündigt das Landesamt optimistisch an. So könnten etwa Verzierungen zum Vorschein kommen.

"Grabbeigaben wie dieser Faltstuhl sind äußerst selten", heißt es in der Mitteilung der Behörde. Sie werden in der Forschung demnach als "Sondergaben" interpretiert und sprechen dafür, dass der oder die Verstorbene ein höheres Amt bekleidet hatte oder von höherem sozialen Rang gewesen war. Laut Angaben des Landesamts sind bislang europaweit 29 Fundstellen von frühmittelalterlichen Gräbern mit Faltstühlen überliefert - davon nur sechs aus Eisen.

Kuriose Verwechslung: Funde lange für Bratspieße oder Raubhaken gehalten 

"Überwiegend tauchen die Stühle in Frauengräbern auf", erklärt das Landesamt zu dem Fund im Kreis Ansbach. Von den meisten Exemplaren seien nur einzelne Bestandteile wie Nägel oder Achsen erhalten, weil sie oft aus organischem Material bestanden wie Holz oder Elfenbein sowie Leder oder Gewebe, die längst vergangen sind.

Lange seien diese Funde "fälschlicherweise" für Bratspieße oder Raubhaken gehalten worden - und nicht als Relikte von Klappstühlen. Seit der römischen Antike wurden eiserne und bronzene Klappstühle hergestellt.

"In der Funktion als sella curulis wurde der Faltstuhl zu einem der bedeutendsten Amtszeichen in der Gesellschaft und verkörperte Eigenschaften wie Autorität, Macht und Würde", hält das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege fest.

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