Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt, aber mit der Umsetzung hapert es vor allem im Verkehr und bei Gebäuden. Die Bundesregierung muss einem Urteil zufolge sofort gegensteuern.
Dieses Klima-Urteil könnte fast jeden im Land berühren - wenn es denn umgesetzt wird. Auf eine Klage von Umweltverbänden hin hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung zu Sofortprogrammen für die Sektoren Verkehr und Gebäude verurteilt, um die Klimaschutzziele bis 2030 zu sichern.
Denkbar wären etwa ein Tempolimit, die Streichung von Steuervorteilen für Diesel oder Dienstwagen oder eine neue Sanierungswelle für Gebäude. Lauter Streitthemen für die Ampel, die damit kurz nach dem Karlsruher Haushaltsurteil noch tiefer in die Klemme gerät.
Ihr bleibt nach dem Berliner Klima-Urteil zwar noch der Weg in die nächste Instanz vor das Bundesverwaltungsgericht. Das brächte erst mal Aufschub. Aber ob SPD, Grüne und FDP sich einig werden, das Berliner Urteil anzufechten, war am Donnerstag unklar. Vor allem die Grünen wollen schnelleren Klimaschutz. Das Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte vielschichtig: «Das Gericht hat die Revision ausdrücklich zugelassen. Die Bundesregierung wird die Urteile und ihre Begründungen, sobald diese schriftlich vorliegen, im Einzelnen genau auswerten und das weitere Vorgehen prüfen.» Das ARD-Hauptstadtstudio berichtete dagegen unter Berufung auf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), die Regierung werde Rechtsmittel einlegen.
Klimaziele für Verkehr und Gebäude wurden gerissen
Das gültige Klimaschutzgesetz schreibt für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vor. Werden diese in einzelnen Sektoren verfehlt, muss laut Paragraf 8 des Gesetzes das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern. 2021 und 2022 wurden die Ziele für Verkehr und Gebäude gerissen. So weit besteht Konsens.
Das Oberverwaltungsgericht stellte nun fest, dass die Bundesregierung mit zusätzlichen Maßnahmen entgegenwirken muss, um die Klimaziele für die Jahre 2024 bis 2030 sicher zu erreichen. Die Vorsitzende Richterin Ariane Holle legte in der mündlichen Begründung dar, dass die Regierung zwar im Oktober 2023 als Reaktion auf die zu hohen Emissionswerte ihr Klimaschutzprogramm ergänzt habe. Aber: «Bei Sofortprogramm und Klimaschutzprogramm handelt es sich um zwei unterschiedliche Instrumente», sagte Holle.
Das Sofortprogramm sei als konkrete Reaktion auf eine Zielverfehlung vorgesehen, um die Erfüllung der Ziele in den folgenden Jahren sicherzustellen, sagte die Vorsitzende Richterin. Das Argument der Bundesregierung, die Klage sei gar nicht zulässig, wies das Gericht zurück.
Die Reform der umstrittenen Klausel ist schon verabredet
Die Lage ist kompliziert, weil die Ampel im Frühjahr verabredet hatte, genau die jetzt vor Gericht umstrittenen Klauseln zu ändern. Künftig sollen nicht mehr für jeden Sektor Jahresziele verpflichtend sein. Wenn etwa im Verkehr Vorgaben verfehlt werden, sollen im Folgejahr keine Sofortprogramme mehr fällig werden. Vielmehr soll nur noch die Einhaltung der Gesamtziele beim Klimaschutz zählen. Festgelegt ist, die Treibhausgase bis 2030 um 65 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Erreicht wurde im vergangenen Jahr gut 40 Prozent Minderung.