Dabei hätten junge Landwirtinnen und Landwirte genau diese Frage an den Minister gestellt. «Die Jugend hat der Politik einen klaren Auftrag mitgegeben. Herr Özdemir muss dafür sorgen, dass wir als zukünftige Bäuerinnen und Bauern auf unseren Höfen im Land eine Perspektive haben».
Bevölkerung hat Verständnis für Bauern
Blockierte Autobahn-Auffahrten, Sternfahrten und Kundgebungen: Die Bauernproteste gehen weiter. Trotz Verkehrseinschränkungen haben die meisten Menschen nach einer Umfrage aber Verständnis für die Bauern.
In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Yougov für die Deutsche Presse-Agentur gaben 45 Prozent an, sie hielten die Aktionen für voll und ganz gerechtfertigt. Weitere 27 Prozent sehen die Proteste als «eher gerechtfertigt» an. Etwa jeder fünfte Befragte ist nicht oder überhaupt nicht damit einverstanden.
Nach einer weiteren Yougov-Umfrage war allein am Montag knapp jeder fünfte Befragte «verkehrstechnisch von den Bauernprotesten» am 8. Januar betroffen. Größere Versorungsengpässe stellten sich bislang nicht ein.
Aktionswoche bis Montag
Höhepunkt der Aktionswoche soll am Montag (15. Januar) eine Demonstration in Berlin sein. Auch an diesem Donnerstag sind wieder Proteste angesetzt, etwa in Frankfurt am Main, Hannover und Karlsruhe. Am Mittwoch gab es Großkundgebungen mit zahlreichen Traktoren etwa in Dresden und Augsburg. In Bremerhaven blockierten Bauern laut Hafengesellschaft Zugangsstraßen und damit den Betrieb des Containerterminals. An mehreren Orten in Deutschland versperrten Bauern auch wieder zeitweise Autobahnauffahrten.
Özdemir warnt vor Spaltung
Den Zeitungen der Funke-Medientruppe sagte Özdemir: «Die Menschen auf dem Land haben das Gefühl, abgehängt zu sein.» Sie sorgten sich, dass sie in einer zunehmend von Städtern dominierten Politik unter die Räder kommen. «Das ist ein gefährlicher Spaltpilz, der zu Verhältnissen wie in den USA führen kann: Man redet nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr und unterstellt sich gegenseitig alles Böse dieser Welt.»
Bauernpräsident Joachim Rukwied zeigte sich im ZDF-«Morgenmagazin» zufrieden mit den bisherigen Aktionen, zu denen an vielen Orten auch die Initiative Land schafft Verbindung aufgerufen hatte. «Die Proteste sind gut verlaufen, ordentlich verlaufen, wir haben die Rettungsgassen frei gehalten», sagte Rukwied. Das bisherige Entgegenkommen der Bundesregierung nannte er einen faulen Kompromiss. Die Landwirte behielten sich weitere Aktionen nach dem 15. Januar vor.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst schlug zur Lösung ein Gremium analog zur Kohlekommission vor. Der Bund solle eine Kommission mit allen relevanten Interessenvertretern zur Zukunft der Landwirtschaft einberufen, sagte der CDU-Politiker der «Rheinischen Post» (Mittwoch). Die Vorsitzende der «Wirtschaftsweisen», Monika Schnitzer, unterstützte geplante Kürzungen für Landwirte und andere Gruppen im Bundeshaushalt 2024. «Subventionsabbau wird von vielen gefordert, aber niemand hebt freiwillig die Hand, um Kürzungen bei sich selbst anzubieten», sagte die Ökonomin dem Blatt.
Kompromissvorschlag
Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) und Vertreter der Bauern- und Fischereiverbände des Landes legen indes ein Kompromisspapier zur Beendigung der bundesweiten Bauernproteste vor. Nach zweistündigen Gesprächen appellierten sie an die Bundesregierung, die Vorschläge aufzugreifen und schleunigst mit dem Bauernverband Verhandlungen aufzunehmen.
«Mit unseren Vorschlägen wollen wir eine Brücke bauen», sagte Backhaus. Dem Kompromissvorschlag zufolge soll die Steuerbefreiung für Agrarfahrzeuge erst ab 2028 statt 2025 stufenweise abgeschafft werden. Parallel soll ein Anreizprogramm für den Einsatz von Biodiesel und Biogas aufgelegt werden, die aus heimischen Pflanzen gewonnen werden.
Zudem werden alternative Einsparmöglichkeiten für den Bundeshaushalt genannt. Dazu gehören laut Backhaus unter anderem die eingeplanten Zuschüsse für tiergerechtere Schweineställe oder das Dienstwagenprivileg für Hybridfahrzeuge. «Auch im Umweltbereich kann im Interesse des sozialen Friedens gespart werden», sagte Backhaus.