Weihnachtsmärkte, Züge: Die Behörden sprechen hier von «weichen Zielen». Also Orte, an die man leicht herankommt. Die jüngsten Festnahmen zeigen, wie angespannt die Lage infolge der Eskalation in Nahost ist.
Drei Festnahmen innerhalb einer Woche. Drei junge beziehungsweise jugendliche Tatverdächtige. Die mutmaßlichen Anschlagsziele: Weihnachtsmärkte. Der erste Hinweis auf mögliche Terrorszenarien kam jeweils aus dem Ausland. Was ist da los?
Terrorexperten in den Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass ein Zusammenhang mit der Eskalation des Nahost-Konflikts besteht, der von Muslimen und Arabern teils anders wahrgenommen wird als von der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Damit ist nicht unbedingt der von der Hamas orchestrierte brutale Terrorangriff gemeint, bei dem in Israel am 7. Oktober mehr als 1200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln genommen worden waren. Vielmehr wird die wenige Tage später begonnene israelische Militäroffensive im Gazastreifen als unverhältnismäßig wahrgenommen, was Terrorgruppen, die auf der Suche nach Sympathisanten und Attentätern sind, für ihre Zwecke auszunutzen versuchen.
Terrorpropaganda, die bereits die Koranverbrennungen in Schweden zum Anlass für eine Aufstachelung gegen alles «Westliche» genutzt habe, bediene nunmehr aktiv das «Narrativ des vermeintlich nötigen "Schutzes der Al-Aqsa-Moschee" in Jerusalem und den Kampf gegen Israel und das Judentum», hieß es diese Woche in einer Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dabei müssen Terrorgruppen wie Al-Kaida oder die Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zum Teil erhebliche ideologische Verrenkungen machen, haben sie doch die aus der Muslimbruderschaft entstandene Hamas in der Vergangenheit oft als zu lasch und jenseits der eigenen salafistischen Lehre geschmäht.
Dass die Entwicklung in Nahost direkte Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben würde, war direkt nach dem brutalen Überfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober klar. Zwischen den Verantwortlichen liefen schon an jenem Wochenende intensive Gespräche. Schutzkonzepte für jüdische Einrichtungen und andere mögliche Ziele wurden überdacht, bekannte islamistische Gefährder wieder stärker in den Blick genommen. Eine sogenannte Sonderauswertung wurde in Gang gesetzt.
Hamas und Netzwerk Samidoun verboten
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Verbotsverfügungen gegen die Hamas und das palästinensische Netzwerk Samidoun, die sie am 2. November ausgesprochen hat. Zwar erwarten Terrorismusexperten nicht, dass Menschen, die diesen beiden Gruppierungen zugerechnet werden, in Deutschland Anschläge verüben. Die durch ein solches Verbot möglichen Maßnahmen zur Verhinderung sogenannter Propagandaaktivitäten von Hamas und Samidoun, online und offline, hätten aber schon einen Effekt, heißt es aus dem Ministerium.
In der Regel braucht es bei Einzeltätern oder Kleingruppen, die sich innerhalb kurzer Zeit radikalisieren, aber mehr, um aus einer Solidarität mit den mehrheitlich muslimischen Palästinensern eine aggressiv-militante Haltung entstehen zu lassen, die dann zu Vorbereitungen für einen Terroranschlag führen. Häufig kommen Entwurzelung, ein selbstempfundenes Scheitern, eine Trennung oder ähnliche persönliche Frustrationserlebnisse hinzu.
«Weiches Ziel»: Viele Menschen, keine Einlasskontrolle
Dass sowohl die beiden Jugendlichen, die am Montag in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg von der Polizei abgeholt wurden, als auch der in Niedersachsen in Gewahrsam genommene Iraker mutmaßlich Weihnachtsmärkte ansteuern wollten, hat nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden nichts mit dem christlichen Hintergrund dieser Veranstaltungen zu tun. Vielmehr gehe es wohl darum, ein «weiches Ziel» anzusteuern, also einen Ort, wo viele Menschen ohne Einlasskontrolle zusammenkommen.