"Warum akzeptieren wir die Bedrohung?": Verbote nach Böller-Chaos gefordert - sind "ein Horror"

3 Min

Fünf Böller-Tote in Deutschland, etliche Schwerverletzte, schwere Schäden unter anderem durch sogenannte Kugelbomben - jetzt wird über Konsequenzen aus der Silvesternacht diskutiert.

Als Reaktion auf die schweren Böllerschäden und Todesfälle durch sogenannte Kugelbomben werden Rufe nach Konsequenzen laut. "Der Import verbotener Feuerwerkskörper - Kugelbomben - aus dem östlichen Ausland muss durch noch schärfere Grenzkontrollen unterbunden werden", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, der Deutschen Presse-Agentur. "Diese bereits verbotenen Feuerwerkskörper waren hauptursächlich für die Verletzungen und Sachbeschädigungen."

Nach Einschätzung von Polizisten waren in der zurückliegenden Silvesternacht mehr und gefährlichere illegale Feuerwerkskörper auf den Straßen Berlins im Einsatz. "Es werden immer mehr, die Raketen, Böller und Batterien für Angriffe nutzen, die Zahl der Kugelbomben steigt", sagte Benjamin Jendro, Sprecher des Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Einige seien anscheinend eher bereit, "ein höheres Risiko einzugehen, um besondere Effekte zu erzielen - welcher Effekt das auch immer ist".

"Warum eigentlich?": Stimmen für ein allgemeines Böllerverbot werden laut

Als Konsequenz ist unter anderem ein generelles Böllerverbot im Gespräch. So antwortete beispielsweise Jochen Kopelke, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, auf die Frage, ob ein bundesweites Böllerverbot hilfreich wäre, gesagt: "Ja, ein Böllerverbot und eine Regulierung des Verkaufs sind Bausteine zur Verbesserung des Silvestergeschehens."

Auch Berlins Innensenatorin Iris Spranger plädiert für ein generelles Böllerverbot in Deutschland und sieht dabei den Bund in der Pflicht. Gleichzeitig fordert die SPD-Politikerin Änderungen im Sprengstoffrecht, die es den Ländern erlauben würden, an festgelegten Orten Ausnahmen von dem Verbot zu gestatten. Der Umgang mit pyrotechnischen Gegenständen sei im Sprengstoffrecht des Bundes geregelt - aktuell könnten also weder Senat noch Abgeordnetenhaus ein grundsätzliches Verbot für privates Silvesterfeuerwerk außerhalb ausgewiesener Orte aussprechen, sagte Spranger der dpa.

Für ein pauschales Verbot privat genutzter Pyrotechnik plädiert Michael Müller (SPD), einer der Amtsvorgänger Wegners als Berliner Bürgermeister. "Es gibt doch überhaupt keinen Grund, warum wir 364 Tage im Jahr akzeptieren, dass nur professionell ein Feuerwerk stattfinden darf. Und an einem Tag im Jahr darf jeder machen, was er will. Warum eigentlich?", sagte Müller in der Sendung "Frühstart" von RTL und n-tv. "Warum akzeptieren wir diese Bedrohung?"

"Freiraum lassen, Brauchtum zu pflegen."

Es gibt aber auch andere Stimmen. So spricht sich FDP-Generalsekretär Marco Buschmann gegen ein generelles Böllerverbot aus. "Privates Feuerwerk gänzlich zu verbieten, halte ich für unangemessen. Das wäre Kollektivhaftung", sagte der ehemalige Bundesjustizminister dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Laut dem FDP-Politiker müsse man die Silvesterknallerei nicht mögen. "Aber einmal im Jahr sollte man den Menschen den Freiraum lassen, dieses Brauchtum zu pflegen."

Buschmann appelliert an die Eigenverantwortung von Bürgerinnen und Bürgern. Für derartige illegale Böller würden schon jetzt mehrjährige Haftstrafen oder empfindliche Geldstrafen drohen. "Wenn sich Menschen trotzdem auf die Gefahr solcher Böller für sich selbst einlassen, handelt es sich um freiwillige Selbstgefährdung", sagte Buschmann.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der ein allgemeines Böllerverbot ablehnt, sagte der dpa: "Die Einfuhr sogenannter Kugelbomben, die in Deutschland bekanntlich schon verboten sind, ist nur mit schärferen Grenzkontrollen zu verhindern", Bundesregierung und Bundespolizei seien gefordert. Dazu sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): "Wir nehmen Kontrollen an allen deutschen Grenzen vor. Das hat die CDU in ihren Regierungszeiten nicht gemacht."

Klinik: "Kugelbomben sind ein Horror!"

Wegen schwerer Verletzungen mit Silvesterfeuerwerk werden allein im Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) 42 Menschen behandelt. "Es kommen immer noch weitere Patienten aus anderen Krankenhäusern zu uns", sagte Sprecherin Angela Kijewski am Donnerstag (02.01.2025). Teils würden Betroffene aus Berliner Kliniken in die Spezialklinik verlegt, teils auch aus dem Umland. 

Mehrere Patienten seien von sogenannten Kugelbomben schwer an Händen, Gesicht und Augen verletzt worden, darunter auch Kinder. Andere Betroffene hätten infolge der Explosion dieser Sprengkörper schwere Hörschäden bis hin zu einem dauerhaften Hörverlust erlitten.  "Die illegalen selbstgebastelten oder aus dem Ausland importierten sog. Kugelbomben sind ein Horror!", hieß es von der Klinik auf dem Portal X. "Das größte Problem ist die extreme Sprengkraft der Kugelbomben", erklärte die Sprecherin. "Dadurch bekommt das Auge nicht mehr die Zeit, das Lid zu schließen."

Nach Angaben Kijewskis wird im Unfallkrankenhaus ein Mann behandelt, der sein Augenlicht verloren hat durch Verletzungen infolge einer Kugelbombe. "Ein junger Mann erlitt eine so schwere Halsverletzung, dass er fast sein Leben gelassen hätte." An der Berliner Universitätsmedizin Charité wurden 49 Personen mit feuerwerksbezogenen Verletzungen behandelt, wie Sprecherin Manuela Zingl mitteilte. Die Zahl bezieht sich auf den Zeitraum zwischen dem 31.12.2024 um 8 Uhr und dem 1.1.2025 um 8 Uhr. "Auffällig waren die Häufung von „Kugelbomben“ und Berichte von gezieltem Feuerwerksbeschuss auf Passanten", so Zingl.

36 Wohnungen in Berlin vorläufig unbewohnbar

Kugelbomben sind wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen. Fachleute beobachteten über den Jahreswechsel in Berlin, dass solche gefährlichen Sprengkörper vermehrt und oft unkontrolliert explodierten. 

In Schöneberg wurden von der Wucht einer Detonation Häuserfassaden und Autos schwer beschädigt, viele Fensterscheiben gingen zu Bruch. 36 Wohnungen sind vorerst unbewohnbar. Ein Feuerwehrsprecher sprach von einem "Schlachtfeld". Drei Personen wurden nach der Explosion festgenommen. 

Ebenfalls wohl bei der Explosion einer Kugelbombe im Stadtteil Tegel erlitt ein Siebenjähriger lebensgefährliche Verletzungen, er musste in einem Krankenhaus notoperiert werden. rowa/mit dpa

Vorschaubild: © Ferdinand Merzbach/News5