Terrorgefahr und Rechtsruck: Richten die Landtagswahlen im Osten die Ampel endgültig zugrunde?

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Angesichts bevorstehender Wahlen in Ostdeutschland gerät die Ampel-Koalition zunehmend in interne Konflikte. Drohende Wahlverluste verstärken die Spannungen.

Dass der ausklingende Sommer und bevorstehende Herbst für die Ampel-Koalition herausfordernd sein würden, war abzusehen. Dass jedoch die Koalitionäre bereits vor den Wahlen in Ostdeutschland im September so sehr in interne Konflikte geraten würden, dass alle bisherigen Auseinandersetzungen in den Schatten gestellt werden, hat viele überrascht.

Der SPD-Kanzler musste seinen Sommerurlaub unterbrechen, um sich in den Haushaltsstreit einzuschalten. Der Finanzminister verunsicherte die Bündnispartner mit einem Brief zur Ukraine-Hilfe, und schließlich bezeichnete der Grünen-Chef die Ampel als "Übergangskoalition".

Landtagswahlen im Osten: Gnadenstoß für die Ampel?

Wie soll es weitergehen, wenn die Wahlen in Sachsen und Thüringen an diesem Sonntag für die Ampel so katastrophal verlaufen, wie die Umfragen es vorhersagen? Die SPD verzeichnete bereits 2019 in Thüringen und Sachsen mit 8,2 und 7,7 Prozent ihre bisher schlechtesten Ergebnisse bei Landtagswahlen.

In sämtlichen aktuellen Umfragen liegen die Sozialdemokraten nun noch darunter und kommen der Fünf-Prozent-Marke bedrohlich nahe. Auch die Grünen müssen um ihren Verbleib in den beiden Landtagen fürchten.

Die FDP, die es 2019 in Thüringen noch knapp geschafft hat, wird inzwischen in beiden Ländern teilweise nur noch unter den "sonstigen Parteien" aufgeführt, da sie es nicht mehr über die Drei-Prozent-Marke schafft. In letzter Zeit erzielte nicht nur die AfD, sondern auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in einzelnen Umfragen mehr Zustimmung als alle drei Ampel-Parteien zusammen.

SPD-Bundeskanzler Scholz unbeeindruckt von Wahlverlusten

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bisher alle Wahlverluste an sich abperlen lassen. Als die SPD im Mai bei der Europawahl ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen Wahl seit über 130 Jahren erzielte, schlenderte er durch das Willy-Brandt-Haus, machte Selfies mit den Genossen und kommentierte das Wahlergebnis mit einem schlichten "Nö".

Am nächsten Tag sagte er lediglich, es gehe nun darum, dass die Koalition ihre Arbeit fortsetzt und "sich darauf vorbereitet, dass die Zustimmung immer größer werden wird". Dieses Mal wird er damit wohl nicht mehr davonkommen. Dass die Ampel ein Jahr vor dem regulären Wahltermin das Handtuch wirft, gilt angesichts der düsteren Aussichten aller drei Parteien bei Neuwahlen weiterhin als unwahrscheinlich.

Allerdings wird die Ampel der Öffentlichkeit klarmachen müssen, was sie mit der verbleibenden Zeit bis zur Bundestagswahl am 28. September 2025 zu erreichen gedenkt. Es gibt noch viele ausstehende Projekte: Umsetzung der Wachstumsinitiative, Rentenpaket, Kindergrundsicherung, Tariftreuegesetz, Gesetz zur Förderung der Demokratie.

Internationale und nationale Krisen: Chance oder Risiko?

Und dann sind da noch die internationalen Krisen von der Ukraine bis zum Nahen Osten sowie die Terrorgefahr, die nach dem Anschlag von Solingen präsenter ist, denn je. Gerade dieses Thema, das der AfD in die Hände spielen könnte, stellt für die Ampel eine Chance und ein Risiko zugleich dar.

Sie kann nach dem jüngsten Haushaltsstreit Einigkeit demonstrieren oder sich erneut in interne Konflikte verstricken und noch tiefer in die Krise geraten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ermahnte die Koalitionäre am Wochenende in der ARD, sich zusammenzuraufen, statt über neue Regierungskonstellationen nachzudenken: "Anpacken statt spekulieren und zurück an die Werkbank", forderte er.

AfD könnte Landtagswahlen im Osten gewinnen

Die Wahlen im Osten werden nicht nur die Ampel, sondern das gesamte deutsche Parteiensystem erheblich durcheinanderwirbeln. Die AfD fiebert seit mehr als einem Jahr auf diesen September hin. In Sachsen und Thüringen sowie in Brandenburg, drei Wochen später, könnte sie zum ersten Mal seit ihrer Gründung 2013 eine oder mehrere Landtagswahlen gewinnen.

Wenige Tage vor dem Wahlsonntag in Thüringen ist die Stimmung aufgeheizt, das Land wirkt polarisiert. In aktuellen Umfragen liegt die AfD mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke stabil mit 30 Prozent weit vor den anderen Parteien. Damit steht in jedem Fall ein Regierungswechsel in Erfurt an. In Sachsen hat mal die CDU, mal die AfD die Nase vorn. "Der Ausgang ist so offen wie noch nie", sagt der Leipziger Politikwissenschaftler Johannes Kiess. Das verschärfe auch den Wahlkampf. "Grüne und Linke könnten auf Direktmandate angewiesen sein, um überhaupt wieder einzuziehen. Es gibt so viele Unbekannte, man kann wirklich nicht sagen, wie die Wahl ausgeht."

Der Urnengang in den ostdeutschen Bundesländern wird von der Partei strategisch als Zwischenetappe betrachtet. "Im Osten muss für uns die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen", sagt Parteichef Tino Chrupalla. Für die Bundestagswahl 2025 plant die AfD voraussichtlich einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin aufzustellen, jedoch eher symbolisch, da bundesweite Regierungsmehrheiten und Koalitionspartner für die Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird, nicht in Sicht sind.

Die AfD denkt bereits weiter: Man habe das Superwahljahr 2029 fest im Blick, so Chrupalla Ende Juni. Dann wird erneut in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewählt, und die Wahl zum übernächsten Bundestag steht an. Die Rechnung: Sollte die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und die Akzeptanz für die AfD bis dahin ausreichend gestiegen sein, könnte ihre Stunde schlagen.

Bündnis Sahra Wagenknecht hat Chance, mitzuregieren

Sahra Wagenknechts BSW könnte den steilsten Start einer neuen Partei bei Landtagswahlen hinlegen. Sie geht mit zweistelligen Umfragewerten in die Abstimmungen und könnte sogar mitregieren.

CDU und SPD schließen ein solches Bündnis jedenfalls nicht aus. Wagenknecht will bei möglichen Koalitionsverhandlungen in Sachsen oder Thüringen mit am Verhandlungstisch sitzen und sich auch selbst einbringen, wie sie in mehreren Interviews betonte. 

Wagenknechts Partei wird die Ergebnisse als Rückenwind für die Bundestagswahl werten. Das BSW liegt in bundesweiten Umfragen bei acht bis neun Prozent, während Wagenknechts frühere Partei, die Linke, nach jetzigem Stand an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde.

Vorschaubild: © Collage inFranken.de (Kay Nietfeld/dpa; Heiko Rebsch/dpa)