Was sagt das Bundesverfassungsgericht?
Der Karlsruher Senat hat die Quellen-TKÜ bei der Aufklärung von Straftaten, für die eine Haftstrafe von maximal drei Jahren droht, für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Sie ist also auch rückwirkend ungültig. «Eine verfassungsmäßige Regelung mit vergleichbarem Regelungsgehalt kann der Gesetzgeber auch durch Nachbesserung nicht herbeiführen», heißt es zur Begründung.
Die Quellen-TKÜ sei ein sehr schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, erläutert das Gericht. «Sie ermöglicht die Ausleitung und Auswertung des gesamten Rohdatenstroms und hat damit insbesondere unter den heutigen Bedingungen der Informationstechnik und ihrer Bedeutung für die Kommunikationsbeziehungen eine außerordentliche Reichweite.»
Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, müsse sich die Maßnahme auf die Verfolgung besonders schwerer Straftaten beschränken. Dazu gehörten nicht solche, für die lediglich bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe drohen.
Darüber hinaus sei auch die Befugnis der Ermittler zur heimlichen Online-Durchsuchung von Computern oder Smartphones von Verdächtigen in Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Gericht. Anders als bei der Quellen-TKÜ sind die Richterinnen und Richter hier aber der Ansicht, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Bedenken beseitigen kann, indem er das im Grundgesetz festgehaltene Briefgeheimnis berücksichtigt. Die bisherige Vorschrift gilt bis zu einer Neuregelung weiter. (Az. 1 BvR 180/23)
Wie oft kommen die Maßnahmen bisher vor?
Das Bundesamt für Justiz veröffentlicht regelmäßig Zahlen dazu, wie häufig TKÜ und Online-Durchsuchungen in der Praxis angeordnet und durchgeführt werden. Wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Statistik hervorgeht, gab es im Jahr 2023 insgesamt 104 richterliche Anordnungen zur Quellen-TKÜ. Tatsächlich durchgeführt wurden demnach 62. Im Jahr davor waren es 94 Anordnungen, von denen 49 durchgeführt wurden.
Online-Durchsuchungen kommen der Statistik zufolge deutlich seltener vor. 2023 wurde diese Maßnahme insgesamt nur 26 Mal von einem Richter angeordnet und sechsmal durchgeführt. In den meisten Fällen ging es um den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Wer hatte geklagt?
Nach Angaben des Vereins Digitalcourage handelt es sich bei der Entscheidung aus Karlsruhe um seine 2018 initiierte Verfassungsbeschwerde. Der Verein kritisierte unter anderem, dass die Staatstrojaner über Sicherheitslücken in Smartphones oder Computern installiert würden. Diese Hintertüren könnten neben der Polizei aber auch Kriminelle nutzen, um auf Geräte zuzugreifen. Der Staat verletze damit seine Schutzpflicht. Digitalcourage hatte auch gegen den Einsatz von Staatstrojanern im Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eine Beschwerde eingelegt, die nun in Karlsruhe aber zurückgewiesen wurde.
Worum ging es in der zweiten Klage?
Während die Strafprozessordnung die sogenannten repressiven Aufgaben und Befugnisse der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten regelt, sind in den Polizeigesetzen der Länder die präventiven Aufgaben geregelt - also die zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Laut Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen ist dort auch die Quellen-TKÜ erlaubt. Die Karlsruher Richterinnen und Richtern gaben heute grünes Licht. Die Regelung war ihrer Ansicht nach ausreichend auf besonders schwere - terroristische - Straftaten begrenzt.