Rosenbergfestspiele: Uniformen machen Leute

2 Min
Der Abstand der Gesäßknöppe stimmt um Haaresbreite nicht! Hauptmann von Schlettow (Dennis Pfuhl) im Wortgefecht mit Schneider Wormser (Klaus Meile). Foto: Matthias Hoch
Der Abstand der Gesäßknöppe stimmt um Haaresbreite nicht! Hauptmann von Schlettow (Dennis Pfuhl) im Wortgefecht mit Schneider Wormser (Klaus Meile). Foto: Matthias Hoch
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Zwischen Lachen und Weinen - das toll aufspielende Ensemble der Rosenbergfestspiele in Kronach zeigt großes Theater in der Premiere des Zuckmayer-Stücks "Der Hauptmann von Köpenick" in der Inszenierung von Stefan Haufe.

"Schale is allem!" Wenn der Schuster Wilhelm Voigt, der spätere Hauptmann von Köpenick, eine Lektion gelernt hat, dann diese: Kleider machen zwar Leute, aber erst in einer Uniform wird man zum Menschen. Die ist schließlich (fast) besser als die eigene Haut und dem tragischen Helden, dem Schuster Wilhelm Voigt, bleibt schließlich nichts anderes übrig, als diese abzustreifen und sich mit fremden Federn zu schmücken.

In einem ausgeklügelten Hindernisparcours durch Amtsstuben, Kontore und Behörden versucht er, den preußischen Amtsschimmel zu zähmen. Wenn er zum Schluss durchs Ziel reitet, gewinnt er zwar die heiß ersehnte Trophäe, einen Ausweis, verliert aber - die Freiheit? Wohl kaum, denn hinter Gefängnismauern wird seine Existenz weniger infrage gestellt als davor.

Preußische Realsatire

Mit Carl Zuckmayers Sozialdrama feierten die Rosenbergfestspiele in Kronach eine umjubelte Premiere. Haufe komponiert die Realsatire preußischer Machart in schnellen und langsamen Sätzen, lauten und leisen Passagen.

Was wichtig ist für die Handlung - da ist es im Stück wie im richtigen Leben - erfährt man aus der Zeitung oder beim Tratsch und Klatsch in der Kneipe. Aber vom Lebensgefühl im ausgehenden Kaiserreich, mit der gesellschaftlichen Überhöhung des Militärs, dem Großmachtdenken und dem sozialen Gefälle, in dem Titel, Rang und Uniform mehr zählten als der einzelne Mensch, davon erzählen die liebevoll komponierten Szenen im Schneideratelier, im Billardsalon und im Gefängnishof.

Beschaulich entwickelt sich die Handlung aus der ersten Szene heraus. Im Atelier des Schneiders Wormser ist die Fallhöhe zwischen schmissiger Uniform und dem entlassenen Häftling Voigt, der "Leiche auf Urlaub", besonders groß. Dieser Wilhelm Voigt, dem die Schultern bis auf den Boden hängen, soll später ein ganzes Rathaus nebst Bürgermeister und Stadtrat kapern? Zwar macht "so ne Uniform [...] das meiste von alleene", aber die große Schauspielkunst von Gregor Nöllen tut das Ihre dazu. Sein feinsinniger "Willem" gerät immer wieder unter die Räder des Systems, obwohl er nicht mehr fordert als ein Leben in Würde und Arbeit.

Bewegende Szenen

Wenn er an der Welt verzweifelt und befürchtet, dass selbst Gott ihn wegschickt, weil er keine Papiere hat, ist das eine der bewegendsten Szenen des Abends. Gregor Nöllen ist der große Solist inmitten eines hervorragenden Ensembles.

Alle Schauspielerinnen und Schauspieler sind mehrfach besetzt und stürzen sich mit Verve in ihre vielseitigen Rollen. Dennis Pfuhl als Hauptmann von Schlettow schneidig, in "Staatsbürgerkluft nur eine halbe Portion ohne Mostrich" zeigt sein imitatorisches Geschick später noch als Horst-Lichter-Verschnitt im Kleiderladen "Rares für Bares". Sein Wachtmeister Kilian ist außerdem eine Verneigung vor Heinz Rühmann.

Klaus Meile überzeugt als bornierter Schneidermeister und unterwürfiger Bürgermeister. Einen Vorgeschmack auf den Dadaismus geben Tom Ohnerast und Gabriel Stohler-Rauch in einer Szene, in der sie die detailgenaue dienstgradabhängige Beschaffenheit von Uniformen durchdeklinieren. Stefanie Masnik ist die kaltschnäuzige Plörösenmieze und die standesbewusste Bürgermeistergattin mit einem Hang zu einfachen Dienstgraden. Susanne Rösch hält als herzensgute Schwester und Ehefrau die Flagge der Nächstenliebe hoch und setzt damit ein Zeichen für die Menschlichkeit.

Lustig und traurig zugleich

Thomas Ziegelhöfer als trunkener Grenadier und Thomas Hauptmann als Gefängnisdirektor garnieren die Berliner Posse mit oberfränkischem Lokalkolorit. Neben ihnen ist eine weitere beachtliche Zahl an Kleindarstellern und Statisten am Start. Sie sorgen auch für schnelle Umbauten und Szenenwechsel und beleben unter der Anleitung von Stefan Haufe jede Szene. Denn Statist sein hat nichts mit Statik zu tun. Trotz tropischer Temperaturen und Originalkostümen in Wollqualität (eine Leihgabe des Theaters in Strelitz) geht es im Stechschritt zum Defiliermarsch um die Theaterwiese.

Stefan Haufe sagt, er unterscheide ungern zwischen Komödie und Tragödie. "Es gibt nur gutes und schlechtes Theater." Wenn sich Gregor Nöllen als Hauptmann von Köpenick in vollem Ornat in der Schlussszene im Spiegel betrachtet und in ein Gelächter ausbricht, das irrsinnig lustig und wahnsinnig traurig zugleich ist, dann stimmt die Kategorie: einfach gutes Theater.