Viele schieben die Antwort vor sich her, ob sie im Todesfall Organe spenden würden, um schwerkranken Menschen zu helfen. Braucht es also ein neues System? Im Parlament werden erhebliche Bedenken deutlich.
Im Bundestag gibt es breite Vorbehalte gegen neue Regeln für Organspenden, bei denen jeder bis auf Widerruf als Spender gelten würde. In einer nachdenklichen und sachlich geführten Debatte warnten zahlreiche Abgeordnete am Mittwoch fraktionsübergreifend vor Eingriffen in das Selbstbestimmungsrecht und die Menschenwürde auch über den Tod hinaus.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb dagegen angesichts von rund 10 000 Menschen, die auf Organe warten, für eine Umstellung auf eine solche "doppelte Widerspruchslösung". Einer von diesen 10 000 ist der sechsjährige Rene aus Unterfranken, der dringend ein Spenderherz braucht. Viele Parlamentarier unterstützten Vorschläge, die Spendebereitschaft regelmäßig etwa beim Abholen neuer Personalausweise abzufragen.
Handlungsbedarf ja - aber in welche Richtung?
Spahn sitzt am Nachmittag nicht wie üblich auf der Regierungsbank, sondern geht aus den Reihen der Unionsfraktion ans Rednerpult. Denn seinen Vorstoß hat er als Abgeordneter gemacht. Und um ganz persönliche Sichtweisen auf das ethisch sensible Thema geht es nun auch im nicht voll besetzten Plenum. Knapp 40 Parlamentarier melden sich in fast drei Stunden zu Wort, jeder hat vier Minuten, frei von Fraktionsvorgaben.
Einig sind sich die meisten, dass Handlungsbedarf besteht. Aller Aufklärung zum Trotz gehen die Zahlen seit 2012 herunter und sanken 2017 auf einen Tiefpunkt von 797 Spendern. Für dieses Jahr zeichnet sich immerhin wieder ein Anstieg ab - bis Mitte November gab es schon 832 Spender.
Zusehen, wenn ein Kind stirbt
Doch für viele Schwerkranke drängt weiterhin die Zeit. "Wissen Sie, wie grausam das ist, wenn Bangen und Hoffen umsonst waren, wenn das rettende Organ einfach nicht rechtzeitig gekommen ist?", fragt Oliver Grundmann von der CDU in seiner Rede. Und erzählt dann davon, wie er Wochen und Nächte in einer Kinder-Krebsstation verbracht hat. Wenn man dort mitkriege, dass im Nachbarzimmer ein Kind stirbt und man versuche, die Eltern zu trösten, dann sei das schrecklich. "Ich kenne niemanden, der in solch einer Situation auch nur eine einzige Sekunde daran verschwendet, ob es vom mündigen Bürger zu viel verlangt sei, einmal im Leben diese eine Entscheidung zu treffen", sagt Grundmann.
Darum, dass sich jeder mit dem Thema befassen soll, geht es auch Spahn. "Doppelte Widerspruchslösung", das bedeutete, dass automatisch jeder als Spender gilt. Man könnte dazu aber noch Nein sagen, sonst wären - als doppelte Schranke - auch Angehörige zu fragen. Dieses Nein auszusprechen, sei zumutbar, argumentiert der Minister. "Das einzige Recht, das damit beschnitten würde, wäre das Recht, sich keine Gedanken zu machen."