Bei Mastkälbern und Mastrindern habe das Gesetz "nicht den Effekt einer deutlichen Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes erbracht", schreibt das Bundeslandwirtschaftsministerium. Und in Bezug auf Masthühner und Mastputen heißt es, die beobachtete Entwicklung habe "nicht die an das Antibiotikaminimierungskonzept gestellte Erwartung" erfüllt. Die Gründe hierfür ließen sich aus den vorliegenden Daten nicht ermitteln und bedürften weiterer Untersuchung.
WHO stuft Hälfte der bei Geflügel eingesetzen Menge an Antibiotika als wichtig für Behandlung von Menschen ein
Beim Geflügel gehört nach wie vor knapp die Hälfte der eingesetzten Menge an Antibiotika zu sogenannten kritischen Wirkstoffen, die auch als Reserve-Antibiotika bezeichnet werden. Sie wurden von der Weltgesundheitsorganisation WHO als besonders wichtig für die Behandlung von Menschen eingestuft.
Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen, kritisierte deshalb Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Sie müsse dafür sorgen, dass Reserveantibiotika "endlich raus aus der Mast" kämen. Sie dürften nicht in der Tiermast eingesetzt werden, "weil sie eine Bedrohung für die Humanmedizin, für uns Menschen sind, wenn wir im Krankheitsfall diese Stoffe benötigen", sagt Ostendorff.
Große Mastbetriebe setzen häufiger Antibiotika ein - würde mehr Platz das Problem lösen?
Laut Landwirtschaftsministerium werden Tiere in großen Betrieben häufiger mit Antibiotika behandelt als in kleinen und mittleren - egal, bei welcher Tierart. Nach Ansicht des Grünen-Politikers Ostendorff ist das Problem vor allem die hohe Tierdichte in den großen Ställen. Er fordert deshalb, den Tieren mehr Platz zu geben. Dann seien weniger Antibiotika notwendig.
Nutzen Betriebe eine Gesetzeslücke?
Aus dem Evaluierungsbericht gehe zudem hervor, dass einige Betriebe möglicherweise eine Lücke in dem neuen Gesetz ausnutzen. Eine Gruppe von Bundesländern hat für den Bericht des Landwirtschaftsministeriums ihre Erfahrungen beigesteuert. Demnach werden Kälber "recht häufig auf Sammelstellen oder bei Viehhandelsunternehmen antibiotisch versorgt und dann vorbehandelt in Mastbetriebe verbracht". Und in den Sammelstellen und den Handelsunternehmen wird nicht erfasst, welche und wie viele Antibiotika die Tiere bekommen. Denn sie gelten offiziell nicht als Tierhaltungs-Betriebe, da die Tiere dort weniger als einen Tag lang verbleiben. Deshalb unterliegen sie auch nicht der Mitteilungspflicht für Antibiotika-Einsätze.
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Auch sogenannte Baby-Ferkelerzeugerbetriebe müssen die Medikamentengaben nicht melden. Und dort werden offenbar häufig Antibiotika gegeben, obwohl es gar nicht nötig wäre. Die Bundesländer schreiben: "Berichten zufolge sollen Mastbetriebe oft - unabhängig von einer diagnostizierten Erkrankung - nur mit Antibiotika behandelte Tiere von Erzeugerbetrieben abnehmen." Von dem Gesetz gänzlich ausgenommen sind zudem einige andere Tierhaltungen - etwa von Legehennen oder Milchkühen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilte auf Anfrage von NDR und SZ mit, aus den Ergebnissen des Berichts werde es gegebenenfalls gesetzgeberische Schlussfolgerungen ziehen. Generell arbeite es intensiv an der Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung. Das Ministerium verweist darauf, dass die Abgabemengen in den vergangenen Jahren bereits deutlich gesunken sind. Es arbeite jedoch an einer "weiteren Minimierung". Insbesondere die Anwendung sogenannter Reserveantibiotika müsse restriktiver werden. Es gebe Untersuchungen zur Geflügelmast, die die Vermutung nahe legen würden, "dass zu viele Antibiotika eingesetzt werden".