Das neue Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising ist so schockierend wie nicht überraschend. Über Jahrzehnte wurden hunderte Menschen von katholischen Priestern missbraucht, und Würdenträger der Kirche, darunter der emeritierte Papst Benedikt XVI, haben diese Untaten wissentlich vertuscht. Damit aber nicht genug: Priester, deren Verhalten bekannt war, wurden erneut in Kontakt mit Kindern gebracht. Damit hat sich die Amtskirche, vertreten durch Ratzinger & Co. mitschuldig gemacht an schrecklichen Verbrechen, unter denen Menschen ihr Leben lang leiden. 

Aber keine Sorge, alles wird gut, denn auch wenn er gelogen hat, bis sich das Gebälk im Kirchendach biegt: Benedikt XVI betet jetzt für die Missbrauchsopfer. Da kann ich wirklich nur sagen: Lass mal gut sein, Benedikt. Denn: Beten ist doch letztlich auch nichts anderes als die gefalteten Hände in den Schoß legen, und anstatt das zu tun, hätte er aktiv werden können und müssen, als er noch in Amt und Würden war. Immerhin ist es der eigene Schoß, in dem seine Hände dabei liegen. Das ist ja schon mal ein Anfang und etwas, das einige hundert seiner Priesterkollegen hätten tun sollen in den vergangenen Jahrzehnten. 

Missbrauch in der katholischen Kirche: Schluss mit den Sonderrechten

Angesichts vorliegender Gutachten beharrlich zu lügen und für die Opfer zu beten, ist jedenfalls blanker Hohn und bringt niemandem etwas, weder den Opfern noch jenen, die in Gefahr sind, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu welchen zu werden. 

Für die Kirchen in Deutschland müssen endlich die gleichen Regeln und Gesetze gelten wie für alle anderen Institutionen und einzelne Personen. Es darf keine Paralleljustiz mit Möglichkeit zu Vertuschung und Verschleppung geben. Viele Fälle bleiben ungeahndet, weil sie viel zu spät bekannt werden und oft schon verjährt sind. Es muss Konsequenzen geben für die Institution Kirche und ihre Würdenträger, wenn sie nachweislich Ermittlungen verhindern, Straftäter schützen und somit mitschuldig am Missbrauch werden. Der Staat muss Möglichkeiten erhalten, hier Druck auszuüben. Vielleicht würde sich die Kirche bewegen und schneller reagieren, wenn eine Kürzung der Bischofsgehälter im Raum stünde – die immer noch alle Steuerzahler*innen finanzieren, ob sie wollen oder nicht. 

Die Kirche darf nicht außerhalb und damit über dem Recht stehen. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert und dennoch scheint es eine völlig unberechtigte Sonderstellung zu geben. Ist es angesichts dieser systematischen Vertuschung und Förderung schrecklicher Verbrechen wirklich polemisch, wenn man sich fragt, ob es nicht an der Zeit wäre, zu Ende zu bringen, was Napoleon begonnen hat und endlich zu einem säkularen Land zu werden?