Virologe Streeck spricht sich gegen zweiten Booster für alle aus
Autor: Stefan Lutter
Berlin, Donnerstag, 04. August 2022
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hat zur Debatte um eine vierte Corona-Impfung Stellung bezogen. In einem Interview schloss er sich der geltenden Stiko-Empfehlung an, wonach diese nur für bestimmte Altersgruppen sinnvoll sei. Zugleich äußerste der Forscher Kritik am geplanten Infektionsschutzgesetz, das die Gefahr eines "Überbietungswettbewerbs" im Herbst berge.
Virologe Hendrik Streeck hat den am Mittwoch (3. August 2022) bekannt gewordenen Entwurf für die Anpassung des Infektionsschutzgesetzes kritisiert. Der Vorstoß von Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht unter anderem vor, dass ab 1. Oktober 2022 eine Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flugzeuge sowie eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gelten soll. Zudem ist geplant, dass die Bundesländer selbst entscheiden können, ob sie eine zusätzliche Mundschutz-Pflicht für weitere öffentlich zugängliche Räume vorschreiben.
"Ich frage mich bei einigen Details, wie das konkret aussehen soll", erklärte Hendrik Streeck zu dem ab kommenden Herbst geplanten Maßnahmenpaket im Interview mit dem FernsehsenderWelt am Mittwochabend.
Hendrik Streeck vermisst "klare Vorgaben" für das geplante Infektionsschutzgesetz
Kritisch sieht Streeck die "optionalen" Maßnahmen, die Bundesländer zum Corona-Schutz einsetzen können: "Da scheint es keine klaren Vorgaben zu geben, wann die Länder diese Maßnahmen ergreifen sollen." Das könnte zu einem "Überbietungswettbewerb der Länder" führen. Deshalb fordert der Wissenschaftler "klare Indikatoren und klare Vorgaben", wann in den Ländern welche Maßnahmen in Kraft treten - ähnlich wie es sie bei der Hotspot-Regel gebe. "Es wäre enorm wichtig, das genau zu definieren." Ebenfalls am Mitttwochabend reagierte Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) bei RTL Direkt auf die Befürchtungen, dass uneinheitliche Vorgaben einen Konkurrenzkampf der Bundesländer entfachen könnten: "Dass da Flickenteppich kommt, hoffe ich nicht, wir arbeiten mit den Ländern zusammen, dass sie das Maximum nutzen, das wir anbieten."
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Zur Maskenpflicht an Schulen, die laut Entwurf nur dann eingeführt werden soll, wenn sie für die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichtes notwendig ist, sagte Hendrick Streeck im Welt-Interview: "Studien sind bisher sehr uneins darüber, ob Maskenpflicht in Schulen überhaupt einen Effekt haben auf das gesamte Infektionsgeschehen." Das liege daran, dass es in Schulen gesitteter zugehe, als wenn sich Kinder und Jugendliche zu Hause träfen - wo dann ja auch keine Maskenpflicht bestehe.
Teile des Infektionsschutzkonzepts stießen bei Streeck auf Zustimmung: Grundsätzlich befänden wir uns in einer Phase, in der es nicht mehr um "Containment" gehe, also die Eindämmung der Pandemie. Vielmehr müsse der Schutz der vulnerablen Gruppen und eine Abmilderung der schweren Verläufe im Mittelpunkt stehen, erläuterte er. Deshalb sei es wichtig, dass nun bundesweite Maßnahmen für Krankenhäuser, Pflegeheime und Altenheime ergriffen würden.
Omikron-Impfstoffe "voraussichtlich mit gleichen Impf-Nebenwirkungen"
Die neuen Omikron-angepassten Impfstoffe seien zwar besser auf die veränderte Struktur des Virus abgestimmt. "Aber im Grunde ist es genau der gleiche Impfstoff", stellte der Virologe klar. Das habe zur Folge, dass es voraussichtlich die gleichen Impf-Nebenwirkungen wie bisher geben werde.
Zugleich schloss er sich der derzeit geltenden Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) an, eine (im Regelfall) vierte Impfung "erst ab 60 oder 70 Jahren empfohlen" werden sollte: "Im Moment scheint es zumindest für gesunde Erwachsene unter 60 Jahren keinen Grund dafür zu geben, sich eine vierte Impfung geben zu lassen."