Gas-Notlage im Winter? In einigen Bundesländern könnte es knapp werden

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Die Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 im mecklenburgischen Lubmin. Am 21. Juli soll wieder Gas fließen - doch wie viel, das ist unklar.
Nord Stream 1
Jens Büttner/dpa

Die Bundesregierung rechnet wohl mit einer akuten Gas-Knappheit im Winter. Grund könnte die mögliche Weigerung Russlands sein, die Gas-Lieferungen über "Nord Stream 1" wieder komplett aufzunehmen.

Derzeit ist die Gas-Pipline "Nord Stream 1" aufgrund von Wartungsarbeiten abgeschaltet. Am 21. Juli soll sie wieder aktiviert werden, doch ob Russland die Liefermengen wieder hochfährt, ist fraglich. 

Daher hat laut Bericht der "Bildzeitung" Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) vergangenen Donnerstag mit den Chefs der Staatskanzleien der Bundesländer per Videoschalte beraten. Thema war die drohende Gas-Krise und eventuelle Notlagen in einzelnen Bundesländern. 

Wird "Nord Stream 1" wieder in Betrieb genommen?

Es kann nämlich sein, dass zwar nicht im gesamten Bundesgebiet Knappheit herrscht, aber dafür in einzelnen Bundesländern könnte es eng werden. Die Bundesregierung rechnet mit möglichen regionalen Notlagen im Winter. 

Die Bundesregierung schätzt laut Bild-Bericht, dass Deutschland ohne Gas-Knappheit durch den Winter kommt, wenn Russland die Gas-Lieferungen über "Nord Stream 1" wieder auf 40 Prozent hochfährt. Die Chancen stünden laut Bundesregierung aber schlecht - stattdessen erwarte man, dass Putin Vorwände finden wird, die Gas-Lieferungen zu drosseln und zu verzögern. 

Man erwarte daher, dass die Gaspreise um das Doppelte oder gar Dreifache steigen werden. Der Staat könne die Kostenerhöhungen nicht komplett abfedern - auf dieBürger*innen kommen wohl deutliche Mehrkosten zu. Ein weiteres Problem sieht die Bundesregierung darin, dass Deutschland auch im Winter 2023/24 noch abhängig vom russischen Gas sein wird. 

Industrie fordert: Sparen und Priorisierung überdenken

Von der Industrie kommen inzwischen Forderungen, die Gasversorgung neu zu regeln: Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die aktuellen Priorisierungsregeln in einer Gasmangellage wurden für eine kurzfristige Unterbrechung einzelner Leitungen geschaffen." Weiter sagte er: "Für die harte neue Energierealität muss die Politik in Berlin und Brüssel eine neue Regelung schaffen. Diese hat alle Teile der Gesellschaft entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit in die Pflicht zu nehmen."

Russwurm erwartet, dass Deutschland längerfristig unter Gasmangel leiden wird. Daher sei es nun wichtig, Strom zu sparen, so Russwurm: "Neben Unternehmen, Kommunen und Ländern müssen Privatverbraucherinnen und -verbraucher Teil der massiven Energiesparkampagne werden." 

Die von Russwurm angesprochene Priorisierung ist die Reihenfolge, in der Erdgas bei akutem Mangel verteilt wird. Gemäß der geltenden EU-Verordnung und dem deutschen Notfallplan Gas sollen bestimmte Verbrauchergruppen möglichst bis zuletzt mit Gas versorgt werden. Zu diesen geschützten Verbrauchern gehören Privathaushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Gaskraftwerke, die zugleich Haushalte mit Wärme versorgen. Aus der Industrie hat es schon vermehrt Forderungen gegeben, diese Priorisierung zu überdenken, um die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten. 

Russwurm verlangte, Deutschland solle »in der Vorbereitung auf alle denkbaren Szenarien ab dem Ende der Revision von Nord Stream 1 nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren«. Die Industrie erwarte »noch im Sommer ein klares Startsignal für Auktionen« für Unternehmen, die dabei nicht genutzte Gasmengen zur Verfügung stellen können. Außerdem sollten die Behörden den Wechsel von Gas zu anderen Brennstoffen mit schnellen und einfachen Genehmigungen für Unternehmen ermöglichen.