Weil die Ausgaben für die Grundsicherung weiter gestiegen sind, wird über Kostensenkung gestritten. Ein Vorschlag aus Bayern dürfte keine großen Chancen haben. Was macht das mit der Koalition?
Nach dem Anstieg der Bürgergeld-Zahlungen auf rund 47 Milliarden Euro ist eine hitzige Debatte über Einsparungen entbrannt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schlägt vor, allen Geflüchteten aus der Ukraine das Bürgergeld zu streichen und ihnen nur noch die geringeren Asylbewerberleistungen zu gewähren. Die Idee weckt erwartbar Widerstand bei der SPD, denn sie geht über den Koalitionsvertrag hinaus.
SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil betonte am Rande seines Antrittsbesuchs in den USA, der Vorschlag «trägt, glaube ich, nicht dazu bei, dass wir in der Koalition gemeinsam vorankommen». Er stehe zur Vereinbarung des Koalitionsvertrags, neu ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine nicht mehr ins Bürgergeld aufzunehmen, betonte Klingbeil. «Das wird jetzt auch so schnell wie möglich umgesetzt.» Was unausgesprochen blieb: Von einer Ausweitung auf ukrainische Flüchtlinge, die bereits in Deutschland sind, hält der SPD-Chef nichts.
Die zuständige Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) würdigte Söders Vorschlag keines Kommentars. Eine Sprecherin ihres Ministeriums verwies ebenfalls auf den Koalitionsvertrag. Dieser sieht Asylbewerberleistungen nur für jene Geflüchtete aus der Ukraine vor, die seit dem 1. April 2025 eingereist sind - und eben nicht für alle. Die Arbeiten an einem Gesetzentwurf hätten im Mai begonnen und würden «zügig und mit der gebotenen Sorgfalt fortgeführt», erklärte das Ministerium. Insgesamt werde die geplante Bürgergeld-Reform auch Einsparungen bringen.
Zahlungen gestiegen
Hintergrund der Debatte sind die Bürgergeldzahlen für 2024. Nach Angaben des Sozialministeriums auf eine Anfrage der AfD zahlte der Staat rund 46,9 Milliarden Euro an Hilfen - rund vier Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Unter den Beziehern sind mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer und deren Kinder, die seit 2022 vor dem russischen Angriffskrieg geflüchtet sind. An sie flossen 2024 laut Ministerium rund 6,3 Milliarden Euro.
Söder sagte am Sonntag im ZDF, er sei dafür, dass die in Deutschland lebenden Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten sollten, «und zwar am besten nicht nur die, die in der Zukunft kommen, sondern alle». Söder meinte, die neuen US-Zölle auf Importe aus Europa veränderten die wirtschaftliche Lage. Die Koalition brauche ein «Update, was wirtschaftlich notwendig ist», sagte der CSU-Chef.
SPD widerspricht
Der SPD-Politiker Dirk Wiese widersprach ruhig, aber eindeutig. Die Einsparungen würden überschätzt und der Verwaltungsaufwand der Kommunen wäre enorm, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Der Zuwachs an Bürokratie hebe Einsparungen faktisch wieder auf. «Das wäre einzig und allein das Prinzip 'rechte Tasche, linke Tasche'.»
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund stellte auch prompt klar, dass die Kommunen die Kosten für ukrainische Geflüchtete nicht selbst schultern könnten. Falls es zu dem Wechsel käme, müssten Bund und Länder die Ausgaben komplett übernehmen, sagte Verbandspräsident Ralph Spiegler der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Die Kommunen sind im Prinzip für die Leistungen an Asylbewerber zuständig, bekommen dafür aber Unterstützung von Land und Bund.