Das neue EU-Lieferkettengesetz soll Menschenrechte im internationalen Handel stärken. Die deutsche Wirtschaft warnt jedoch vor bürokratischer Belastung - und findet damit Gehör.
Das geplante neue EU-Lieferkettengesetz droht am Widerstand der FDP zu scheitern. Die von den Liberalen geführten Ministerien für Justiz und für Finanzen haben sich kurz vor den abschließenden Beratungen gegen die Pläne gestellt.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) legte daraufhin neue Vorschläge vor, um eine Enthaltung Deutschlands bei der EU-Abstimmung zu vermeiden. Durch eine deutsche Enthaltung infolge der Uneinigkeit in der Ampel-Koalition könnte das gesamte Regelwerk scheitern. Es ist nicht das erste Mal, dass die FDP bei einem ausgehandelten EU-Kompromiss auf die Bremse tritt.
In einem Schreiben von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) zu dem letzten Verhandlungsstand des EU-Vorhabens heißt es, beide Häuser «können das Ergebnis nicht mittragen». Zuvor hatte «The Pioneer» über die Haltung der FDP-Ministerien berichtet. Heil sagte an die Adresse des Koalitionspartners daraufhin: «Ich werbe um Zustimmung.»
Reaktion des Kanzlers Scholz ist offen
Bundeskanzler Olaf Scholz ließ vorerst offen, ob er das Nein des Koalitionspartners FDP zum geplanten EU-Lieferkettengesetz ohne weitere Diskussionen akzeptieren wird. «Ich muss jetzt zunächst mal zur Kenntnis nehmen, dass es keinen Konsens in der Regierung gibt, dass all das, was wir an Verständigung in Europa erreicht haben, ausreicht», sagte der SPD-Politiker am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Er könne «jetzt erst mal keinen anderen Bericht geben». «Der Fortschritt ist eine Schnecke», fügte er hinzu.
Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen sollen zudem stärker auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung verpflichtet werden.
FDP fürchtet Haftungsrisiken
Buschmann und Lindner kritisierten, das EU-Gesetz werde dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Auch der Bausektor solle als sogenannter Risikosektor eingestuft werden. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in diesem Bereich könne das existenzbedrohend sein. «Viele Betriebe verfügen unserem Eindruck nach schlichtweg nicht über die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen», argumentieren die Minister. «Es ist zu befürchten, dass künftig noch weniger gebaut würde in Deutschland.»
Buschmann sagte der Deutschen Presse-Agentur, «der Schutz der Menschenrechte gehört zum Selbstverständnis der EU». Daher unterstütze er uneingeschränkt das von der Richtlinie verfolgte Ziel, einen besseren Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Lieferketten europäischer Unternehmen sicherzustellen. Dieses Ziel dürfe aber nicht zu einer «Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts» führen. «Unsere Sorgen sind nicht entkräftet, die Risiken für die europäische und deutsche Wirtschaft überwiegen.» Im Rat der Europäischen Union habe dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine "nein"-Stimme wirke.