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Ethikrat rechnet mit Pandemie-Strategie des Bundes ab - mit diesen Tipps soll es jetzt besser laufen


Autor: Redaktion

Berlin, Dienstag, 05. April 2022

In einer ausführlichen Stellungnahme wirft der Deutsche Ethikrat der Bundesregierung Fehler beim Umgang mit der Corona-Pandemie vor. Vor allem vulnerable Gruppen und bestimmte Einrichtungen hätten unter den Mängeln besonders stark gelitten.
Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, stellt ihre Empfehlungen zum Thema "Vulnerabilität und Resilienz in der Krise - Ethische Kriterien für Entscheidungen in einer Pandemie" vor.


Der Deutsche Ethikrat hat in einer rund 150 Seiten langen Stellungnahme mit der Pandemie-Bekämpfung der Bundesregierung abgerechnet und Tipps gesammelt, mit denen die Corona-Strategie in Zukunft effektiver laufen soll. Denn bisher habe Deutschland beim Umgang mit Covid große Fehler gemacht.

Als Lehre aus der Corona-Pandemie fordert der Ethikrat nun umfassendere Strategien für Gesundheitskrisen. Es seien zu spät und zu wenig klar unterschiedliche Formen von Vulnerabilität in den Blick genommen worden, sagte die Vorsitzende Alena Buyx am Montag (4. April 2022) in Berlin. So sei zwar früh erkannt worden, dass ältere Menschen enorme medizinische Risiken hätten. Auf Auswirkungen auf die junge Generation mit Ausfällen bei der Bildung und wichtigen Momenten der Persönlichkeitsbildung sei aber zu wenig geachtet worden. "Das ist nie wirklich zur Chefsache gemacht worden."

Ethikrat appelliert: Vulnerable Gruppen müssen besser geschützt werden

Der Ethikrat mahnte eine "Verpflichtung zur Wissensgenerierung" an. Um zu erkennen, wer besonders verletzlich sei, müsse man spezifische Daten erheben und systematisch zusammenführen. Das beratende Gremium hob unter anderem auch hervor, dass Institutionen der Daseinsvorsorge krisenfester werden müssten - etwa bei den Kapazitäten von Kliniken, Pflegekräften und Gesundheitsämtern oder der Digitalisierung von Kitas und Schulen.

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"Maßnahmen gegen eine Pandemie müssen demokratisch legitimiert, ethisch gut begründet und zugleich gesellschaftlich akzeptabel sein", erklärte Alena Buyx. "In unserer Stellungnahme geben wir Empfehlungen, wie das zukünftig besser gelingen kann. Dabei schauen wir uns auch an, wer in einer Pandemie besonders vulnerabel ist und wie man Resilienz stärken kann."

Vor allem bei der Vorbereitung einzelner Institutionen, wie Schulen, Kindergärten und Gesundheitsämter, gebe es deutlichen Nachbesserungsbedarf. Aber auch vulnerable Gruppen, wie pflegebedürftige Menschen in Heimen und Kliniken, seien nicht gut genug geschützt worden, kritisiert der Ethikrat. Hinzu kommen die sozialen Einschränkungen und psychischen Belastungen der Pandemie, die vor allem Kinder und Jugendliche trafen.

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Wenn sie nicht besonders verletzbar durch die Krankheit selbst sind, treffen und verletzen sie möglicherweise die negativen Folgen der zur Eindämmung der Pandemie ergriffenen Maßnahmen, mahnt der Ethikrat in seinem Schreiben. Dies betreffe beispielsweise Kinder, Jugendliche, Auszubildende und Studierende. Sie haben zwar ein viel geringeres Risiko als ältere und vorerkrankte Menschen, schwer an Covid zu erkranken. Junge Menschen leiden aber besonders unter Einschränkungen ihrer Ausbildungswege und ihres Soziallebens. Dennoch wurden ihnen erhebliche Einschränkungen während der Corona-Krise auferlegt und unter anderem mit der Rücksichtnahme auf Ältere gerechtfertigt, so der Ethikrat.

"Die Folgen der Pandemie und ihrer Bewältigung betreffen zwar alle, aber eben nicht alle in gleicher Weise", betonte Buyx. Deshalb kommen auch Aspekte der Gerechtigkeit ins Spiel. Kriterien für die gerechte Verteilung von knappen Impfstoffen oder intensivmedizinischen Ressourcen sind ebenso wichtig wie Maßnahmen der Kompensation für besondere pandemiebedingte Belastungen.

Aber auch Fragen der internationalen Gerechtigkeit solle einbezogen werden, wenn es etwa darum geht, welche Solidarität wohlhabendere Länder weniger wohlhabenden bei der Bewältigung der Pandemie schulden. Zudem sei es eine Frage der intergenerationellen Gerechtigkeit, welche Lasten die gegenwärtig lebenden Menschen zukünftigen Generationen aufbürden dürfen.

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Aus seinen Überlegungen leitet der Deutsche Ethikrat am Ende seiner Stellungnahme eine Reihe konkreter Empfehlungen ab. Sie betreffen beispielsweise den Umgang mit Unwissen und Ungewissheit, die insbesondere zu Beginn der Pandemie politische Entscheidungen erschwert haben. Gefordert werden weiterhin verbesserte Kommunikations- und Informationsstrategien sowie die Einbeziehung von Menschen mit eingeschränkten Partizipationsmöglichkeiten in die sie betreffenden Entscheidungen.

Potenzial für Spaltungen einbeziehen

Aus demokratietheoretischer Perspektive spricht sich der Ethikrat für die Förderung von Eigenverantwortung, Solidarität und gesellschaftlichem Zusammenhalt aus. Das Potenzial von Maßnahmen, gesellschaftliche Spaltungen zu befördern, sollte zukünftig systematisch in Entscheidungen berücksichtigt werden.

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mit dpa

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