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"Es muss nicht alles teurer werden": Bäckereien backen Inflationsbrot


Autor: Svenja Hentschel

Deutschland, Dienstag, 20. Sept. 2022

In der Krise werden viele Bäckereien in Deutschland kreativ. Mit "Inflationsbroten" wollen sie Kund*innen entlasten und gleichzeitig auf ihre ebenfalls schwierige Situation aufmerksam machen.
Bäckereien in der Energiekrise. So wollen sie ihre Kund*innen entlasten.


Die deutschen Bäckereien haben in Zeiten der Inflation und steigenden Energiepreisen mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks betreiben etwa 60 bis 70 Prozent der Bäckereibetriebe ihre Backöfen mit Gas. Aber auch die Betriebe, die auf Öl und Strom angewiesen sind, müssen mit Preisexplosionen umgehen. Die benötigten Rohstoffe Mehl, Butter und Zucker sind teurer geworden, wie die Tagesschau berichtet. Ab 1. Oktober 2022 soll außerdem der Mindestlohn auf 12 Euro brutto je Stunde steigen. Das würden viele Bäckereien als weiteren Preistreiber anführen.

Die Krise trifft auf eine Branche, die ohnehin seit Jahren Probleme hat. Gab es im Jahr 2014 noch 12.611 Bäckerbetriebe, waren es 2021 nur noch 9965. Auch die Zahl der Beschäftigten im Bäckerhandwerk ist um etwa 30.000 Menschen gesunken. Vor allem die Discounter haben sich zu einer ernsthaften Konkurrenz für Bäckereien entwickelt. Deshalb haben viele Bäcker*innen die Befürchtung, Kund*innen an diese zu verlieren, wenn sie die Preise für ihre Backwaren weiter erhöhen müssen.

"Inflationsbrot": Bäckereien beweisen Kreativität in der Krise

Die Tagesschau hat drei Bäckereien besucht, die mit neuen Ideen gegen die Energiekrise ankämpfen wollen. So hat Mario Fritzen aus dem Kürten (Kölner Umland) ein "Inflationsbrot" in seiner Auslage liegen. "Es muss nicht alles teuer werden" steht auf dem dazugehörigen Preisschild. Das Brot kostet mit 2,50 Euro für 750 Gramm wesentlich weniger als die anderen Sorten in seinem Geschäft. Bei dem Brot handele es sich um "eine einfache Rezeptur - ein Weizenmischbrot, das ohne viel Schnickschnack hergestellt wird", so der Bäcker Fritzen. Das Inflationsbrot sieht Fritzen vor allem als Angebot für Kund*innen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben und trotzdem in einer Handwerksbäckerei einkaufen wollen. Gewinn würde er damit nicht erzielen.

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Eine andere Idee, um Kund*innen zu entlasten und den eigenen Betrieb nicht weiter zu belasten, hatte der Bäcker Michael Tenk aus Südlohn (Münsterland). Sein "Inflationsbrot" werde von einem örtlichen Bauunternehmen gesponsert. Dieses übernehme 50 Cent pro verkauftem Brot, dürfe aber dafür mit seinem Logo und seiner Webseite auf dem Preisschild werben. Tenk hätte dafür bereits von anderen Bäckereien positive Rückmeldungen bekommen und hoffe, dass auch einige seine Idee nachmachen.

Auch in Hilden bei Düsseldorf geht ein Bäcker auf eine kreative Weise mit der Krise um. Biobäcker Roland Schüren versuche, die Krise zu nutzen, um nachhaltiger zu produzieren. Er verwendet Brotreste für sein "Anti-Inflationsbrot". "Wir haben 20 Prozent des Mehlanteils ersetzt durch übriggebliebenes Brot, was wir natürlich getrocknet, gemahlen und geröstet haben", sagt Schüren der Tagesschau. Diese Reste würden eingeweicht dem Teig zugegeben, wodurch Mehl gespart werde. Er hofft aber auch darauf, dass "Kunden, die dadurch kommen und dieses Brot kaufen, vielleicht auch auf die Idee kommen, noch etwas anderes bei uns im Laden mitzunehmen", erklärte der Bäcker. Es seien harte Zeiten - sowohl für Verbraucher*innen als auch für die Bäckereien.

Bäckereien fordern Hilfe in der Krise

Die "Inflationsbrote" sollen nicht nur ein Mittel zum Kampf gegen die steigenden Preise sein, sie sollen auch die schwierige Situation der Bäcker*innen in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks warnt vor einer Welle von Pleiten, wenn es keine Entlastung durch den Staat gebe. "Es muss Hilfe kommen", betone auch Fritzen. Andernfalls sei er besorgt, dass er irgendwann nicht mehr über die Runden komme.