Der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, begrüßte die Vereinbarung. Er sagte: «Ich bin überzeugt: Das ist nicht nur ein wichtiger Schritt für ein besseres Gelingen von Integration und Teilhabe, sondern ganz entschieden auch für den Kampf gegen Antisemitismus.»
Der SPD-Bundestagsabgeordnete, Macit Karaahmetoglu, kritisierte, bei Gräueltaten islamistischer Extremisten würden stets «reflexartig Treuebekenntnisse der türkischen und muslimischen Gemeinden in Deutschland» eingefordert. In den Ditib-Gemeinden werde hart gegen extremistische Bestrebungen vorgegangen. Der Grund, weshalb man trotzdem eine Loslösung vom türkischen Staat brauche, sei «nicht drohender Extremismus, sondern benötigte Akzeptanz muslimischer Gemeinden als Teil dieses Landes».
Die Gespräche zwischen der Türkei und Deutschland über Arbeitsvisa für religiöses Personal laufen schon seit 2016. Die nun geschlossene Vereinbarung war auch Thema beim Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin im November.
«Hier wird deutlich, dass wir auch im Gespräch mit schwierigen Partnern zu wichtigen und guten Ergebnissen kommen, die unionsgeführte Regierungen in 16 Jahren nicht erzielen konnten», sagte die religionspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Sandra Bubendorfer-Licht.
Ausbildung zum Imam
Ditib ist der größte Islam-Verband in Deutschland. Dass die Religionsbehörde in Ankara über Jahrzehnte aus der Türkei Prediger nach Deutschland entsandt und auch bezahlt hat, ist der Geschichte der sogenannten Gastarbeiter geschuldet. Diese waren in den Jahren 1961 bis 1973 über ein Anwerbeabkommen nach Deutschland gekommen. Da sie ursprünglich nicht dauerhaft bleiben sollten, erschien die Praxis der aus der Türkei geschickten Prediger vielen anfangs unproblematisch.
Die Ausbildung deutscher Imame steckt noch in den Kinderschuhen. Seit 2020 werden an der Ditib-Akademie in dem Eifel-Ort Dahlem sunnitische islamische Religionsbeauftragte ausgebildet. Die ersten 25 Teilnehmer schlossen nach Angaben der Akademieleitung 2022 ihre zweijährige Ausbildung ab. An dem zweiten Lehrgang nehmen demnach aktuell 35 islamische Theologen teil - elf Männer und 24 Frauen.
Ende 2019 war das Islamkolleg Deutschland (IKD) mit Sitz in Osnabrück gegründet worden, wo im Sommer 2021 die ersten Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre praktische berufsbegleitende Ausbildung zum Imam aufnahmen. Das vom Bundesinnenministerium geförderte Kolleg ist die erste verbandsübergreifende und in Kooperation mit islamischen Theologinnen und Theologen aus Deutschland gegründete Einrichtung für die Ausbildung von islamischen Geistlichen und Seelsorgern in deutscher Sprache.
Voraussetzung für die Imam-Ausbildung hier ist in der Regel der Abschluss eines wissenschaftlichen Studiums der islamischen Theologie in Deutschland. Im September 2022 erhielten die ersten 26 Absolventen des Islamkollegs ihre Abschlusszertifikate.
Vorgesehen ist nun eine Zusammenarbeit zwischen der Ditib-Akademie und dem IKD, zwei Einrichtungen, die bislang organisatorisch unabhängig voneinander agieren. Für die Steuerzahler entstehen durch die geplante Förderung Kosten in Höhe von 500.000 Euro pro Jahr.
Ein Vorteil der vorgesehenen Neuregelung ist aus Sicht der Bundesregierung, dass die Verantwortung für das, was die Prediger in den Gemeinden sagen und tun, nun allein dem jeweiligen Verein beziehungsweise Verband zuzuordnen ist - und nicht, wie bisher, der Behörde eines ausländischen Staates.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, sagte: «Es bleibt abzuwarten, wie verlässlich Staatspräsident Erdogan bei dieser Entwicklung ist.» Für die Grünen bleibe zentral, dass zusätzlich liberale, progressive Kräfte des Islam in Deutschland ebenfalls als Partner anerkannt und gefördert würden.