Einkommenssteuer, Rentenpaket, Asylpolitik: Was Scholz vor der Neuwahl noch schaffen möchte
Autor: Agentur dpa
Berlin, Donnerstag, 07. November 2024
Kanzler Scholz plant trotz Koalitionsbruchs wichtige Gesetze bis Weihnachten zu verabschieden. Unsicherheit herrscht über den Haushalt 2025.
Die Ampel ist Geschichte - aber Kanzler Olaf Scholz will wichtige Projekte trotzdem noch durchs Parlament bringen. Er wolle in den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die aus seiner Sicht "keinerlei Aufschub" duldeten, sagte der SPD-Politiker nach dem Bruch der Koalition. Der Kanzler nannte konkrete Vorhaben - er hat allerdings ohne die FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, er würde eine Zusammenarbeit mit der Union bei Vorhaben begrüßen. "Ich würde mich darüber freuen und bin natürlich jederzeit bereit, dazu den Weg zu suchen."
Nach einem Gespräch zwischen Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und Scholz hieß es nach Angaben aus der Unionsfraktion: Merz habe Scholz angeboten, die Union sei jederzeit bereit, über anstehende Tagesordnungspunkte oder Gesetze im Bundestag zu sprechen - aber erst, wenn vom Bundeskanzler in den kommenden Tagen die Vertrauensfrage gestellt worden sei. Scholz wolle aber am Zeitplan für die Vertrauensfrage im kommenden Jahr festhalten. Am 20. Dezember sollen Bundestag und Bundesrat planmäßig zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommen. Mitte Januar will Scholz die Vertrauensfrage stellen, im März könnte es dann Neuwahlen geben. Bis Jahresende will er diese Themen entschieden sehen:
Entlastung bei Einkommenssteuer
Scholz will, dass der Effekt der Inflation bei der Einkommenssteuer ausgeglichen wird - ein Projekt, das eigentlich der nun entlassene Finanzminister Christian Lindner (FDP) maßgeblich vorangetrieben hat. "Damit alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 1. Januar mehr Netto vom Brutto haben", begründet der Kanzler, dass er an den Plänen zum Ausgleich der Kalten Progression festhält.
Kalte Progression nennt man, wenn Bürger durch den ansteigenden Steuertarif auch dann mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht. Lindner wollte dafür den Grundfreibetrag und die anderen Eckwerte des Steuertarifs so verschieben, dass höhere Steuersätze erst später greifen. Nur die Grenze für die Reichensteuer, die noch über dem Spitzensteuersatz liegt, sollte gleich bleiben - damit die Allerreichsten weniger stark entlastet werden. Der FDP-Chef hatte den Grünen vorgeworfen, die Pläne zu blockieren. Scholz und Habeck könnten nun darauf setzen, dass die FDP einem Vorhaben zustimmt, dass sie für richtig hält - wie auch bei dem eigentlich von der Ampel geplanten Wachstumspaket.
Rentenpaket 2
Das dürfte der für die SPD wohl wichtigste Punkt sein: die Stabilisierung der gesetzlichen Rente. Der Bundestag hat sich Ende September in erster Lesung mit dem seit langem vorbereiteten Rentenpaket befasst. Im Kern soll ein stabiles Rentenniveau garantiert werden, die Rentenbezüge sollen Schritt halten mit der Lohnentwicklung. Wegen der alternden Bevölkerung wird dies aber immer teurer - was dann zu höheren Beiträgen für jüngere Leute führt. Die Koalition will diese prognostizierte Beitragserhöhung dadurch abfedern, dass sie Geld am Aktienmarkt anlegt und die Rendite in die steckt.
Insbesondere der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, pochte allerdings auf Änderungen, da das Paket aus seiner Sicht die Jüngeren über Gebühr belastet. Denn der Aktienplan kann voraussichtlich nicht die gesamten Mehrkosten auffangen. Allerdings ist das Rentenpaket auch in der Union umstritten. Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte es Ende September eine verpasste Chance für mehr Generationengerechtigkeit. Es sei ein Neustart in der Rentenpolitik notwendig. Die Umsetzungswahrscheinlichkeit scheint gering.
Asylpolitik
Als weiteres Vorhaben nannte der Kanzler die schnelle Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Diese will Deutschland schnell umsetzen. Am Mittwochvormittag noch hatte die Koalition dazu zwei Gesetzesänderungen beschlossen. Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen. Bei der Asylpolitik gibt es Schnittmengen mit der Union.