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Edeka-Stellenanzeige stößt Menschen vor den Kopf - andere feiern die Idee


Autor: Io Görz

Detmold, Freitag, 23. Sept. 2022

Ein Edeka-Markt in Detmold hat mit einer Stellenanzeige für Aufsehen gesorgt. Darin werden potenzielle Bewerber*innen gesucht und mit ganz speziellen Anforderungen konfrontiert.
Viele fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Andere feiern den Markt für die Anzeige.


Personalmangel ist ein großes Problem quer durch alle Branchen - besonders hart getroffen ist unter anderem der Einzelhandel. Da greifen gerade Supermärkte im Kampf um Mitarbeitende gerne mal zu extremen Mitteln.

So auch ein Edeka-Markt in Detmold. Im Ringen um Aufmerksamkeit potenzieller Angestellter hat sich der Markt entschieden, eine Stellenanzeige in der lokalen Zeitung zu veröffentlichen, die etwas, sagen wir, ungewöhnlich daherkommt. 

Skurrile Edeka-Stellenanzeige: "Du bist nicht völlig verpeilt?"

Als Stilmittel für das provokante Inserat hat Edeka Gebhardt aus Detmold die Publikumsbeschimpfung gewählt, denn die Anzeige ist statt der üblichen Floskeln mit Aussagen gespickt, die eher darauf zielen, Menschen vor den Kopf zu stoßen. So fragt die Anzeige "Du bist nicht komplett verpeilt?" oder "Du bist in der Lage, dir morgens eine Stulle zu schmieren?". Auch fachliche Kompetenzen werden auf eine eher abseitige Art abgefragt: "Du kannst eine Kiste Bier von einer Kiste Wasser unterscheiden?" ist eine der freundlich als ungewöhnlich zu bezeichnenden Fragen. 

Womöglich schlechte Erfahrungen oder auch Vorurteile gegenüber vor allem jungen Menschen haben den Edeka-Betreiber des Marktes bewogen abzufragen: "Du musst nicht alle 3 Minuten eine Whatsapp schreiben oder Insta checken?". Um die Arbeitsmoral macht man sich offenbar auch Sorgen, denn in der Anzeige heißt es auch: "Du kannst dir vorstellen, 5x die Woche zu arbeiten, ohne gleich an Burnout zu erkranken?" oder "Du musst nicht beim kleinsten Kratzen im Hals eine Woche krank feiern?"

Edeka-Märkte werden in der Regel nicht zentral gesteuert, sondern von lokalen Kaufleuten selbständig betrieben werden. Themen wie Preisgestaltung, Sortiment, aber auch Recruiting werden normalerweise von diesen entschieden und sind nicht Angelegenheit des Edeka-Verbunds. 

Heftige Reaktionen auf Twitter: "Du bist devot, lässt dich gerne ausbeuten und verhöhnen?..."

Auf Anfrage des Wirtschaftsportals "Businessinsider" beim Edeka-Verbund Rhein-Ruhr erklärte ein Sprecher dort, Edeka Gebhardt sei für diese Anzeige verantwortlich und habe eine "ungewöhnliche Stellenanzeige" gewählt, die mit "einem Augenzwinkern Aufmerksamkeit erregen" sollte. "Jemanden dadurch zu kritisieren oder zu diskriminieren, liegt ihm aber fern", so der Sprecher gegenüber Businessinsider.

Das sehen Nutzer*innen im Internet jedoch teilweise etwas kritischer. Während einige die Anzeige feiern und äußern, dass der Edeka-Betreiber recht habe, finden andere, er habe eine Linie überschritten. "Bei der Verharmlosung von Burnout bin ich raus", kommentiert eine Person auf Twitter beispielsweise. Ein anderer Mensch macht auf ein Detail der Anzeige aufmerksam: Bereits bei der Angabe des Geschlechts der Bewerbenden, das üblicherweise mit (m/w/d) angegeben wird, um alle einzuschließen, weicht die Edeka-Anzeige ab: Hier liest man stattdessen "(m/w/d/ ... usw. usf.)" - nicht eben respektvoll und inklusiv, wie einige Kommentare anmerken. 

Deutlich zugespitzt bringt es ein Tweet auf den Punkt: "Du bist devot, lässt dich gerne ausbeuten und verhöhnen? Du magst Arbeitgeber*innen mit Rechtschreibschwäche? Du verachtest modernes Arbeitsrecht und steckst infiziert gerne Kollegen und Kunden an? Dann bewirb dich bei #Edeka Gebhardt in Detmold". Andere merken etwas süffisant an, dass der Marktbetreiber Bewerber*innen suche, die der deutschen Sprache mächtig sind, die Anzeige selbst aber alles andere als fehlerfrei sei. So fehlten einige Kommata und das Adjektiv "stolz" wird in der Anzeige groß geschrieben. 

Unverschämtheit oder genialer Recruiting-Trick? Das sagt ein Experte

Was sagen aber Menschen dazu, die sich beruflich mit Stellenanzeigen beschäftigen? Robindro Ullah, CEO des Trendence Instituts, einer Personalberatung, hat dem "Businessinsider" gegenüber erklärt, dass er die Anzeige nicht so negativ sieht wie viele Kommentator*innen im Internet. Dabei geht er nicht auf den Inhalt ein, sondern lediglich darauf, ob die Anzeige funktioniert, also Aufmerksamkeit erzeugt und Reaktionen hervorruft. Die Anzeige müsse zur gesamten Strategie im Recruiting passen, so Ullah.

Der Kampf um die Aufmerksamkeit wird auf dem umkämpften Stellenmarkt mit allen Bandagen geführt und dabei sind alle Mittel recht. Auf Anfrage teilte der Geschäftsführer von "Edeka Gebhardt", David Gebhardt, mit, dass die Anzahl der Bewerbungen deutlich höher sei als bei Standardtexten. Es habe viele positive Rückmeldungen gegeben, "aber auch manche negative Kommentare", so Gebhardt in einer Mail am Freitag, dem 16. September. Jemanden zu kritisieren oder zu diskriminieren liege ihm fern, so Gebhardt.