Von Ort zu Ort, den Laptop immer im Gepäck - ein Leben als digitaler Nomade wird auch für Festangestellte immer interessanter. Vor allem im Winter wollen viele den kalten Temperaturen entfliehen.
Feierabend, Laptop zu und ab an den Strand - was für viele eine Traumvorstellung ist, ist für Lina Retzlaff für mehrere Monate im Jahr Alltag. Aus Spanien, Portugal, Kenia und Kroatien hat die 28-Jährige in diesem Jahr schon gearbeitet. «Arbeiten, wo andere Urlaub machen», nennt es die selbstständige Fotografin. Vier bis fünf Monate im Jahr ist sie als sogenannte digitale Nomadin im Ausland unterwegs. Ihren festen Wohnsitz hat Retzlaff in Berlin.
Andere lassen selbst das hinter sich. Zum Beispiel Mareike Sophie Zeidler. Vor einem halben Jahr kündigte die 27-Jährige ihren Job in Hamburg und ihre Wohnung gleich mit. Seither reist sie durch die Welt, arbeitet selbstständig im Bereich Marketing. «Ich dachte mir, wenn ich nicht mehr wegen meines Jobs hier sein muss, dann kann ich auch dauerhaft woanders sein», sagt Zeidler, die bereits in ihrer Zeit als Angestellte viel reiste. In diesem Jahr war die 27-Jährige bereits in Thailand, Mexiko, Gran Canaria, Sri Lanka, Portugal, Indonesien und auf den Philippinen unterwegs.
Corona beschleunigt den Trend
Was einst als Randerscheinung unter Selbstständigen und Kreativen galt, ist mittlerweile zum Trend geworden. Als digitale Nomaden werden die Menschen oft bezeichnet, die aus der Ferne und ortsunabhängig arbeiten. Neben denen, die meist freiberuflich und ohne festen Standort von einem Ort zum anderen reisen, wächst eine weitere Gruppe unter ihnen.
«Es kommen immer mehr Arbeitnehmende ins Spiel, die einen festen Wohnsitz haben, aber trotzdem sagen, ich möchte mal für ein zwei Monate oder auch nur für ein paar Wochen im Ausland arbeiten», sagt Katharina Dienes vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft. Die Corona-Pandemie habe da als «Brandbeschleuniger» gewirkt. Möglich wird das durch zunehmende ortsunabhängige Homeoffice- oder «Workation»-Regelungen der Arbeitgeber. «Workation» beschreibt eine Kombination aus Arbeit und Urlaub.
Im Winter werden vor allem sonnige Reiseziele zu Hotspots
Spanien und Portugal gehören weltweit zu den beliebtesten Ländern für digitale Nomaden, wie ein Blick in die Fachportale verrät. Lissabon und die Azoren sind derzeit unter den «Top Ten» der aktuellen Rangliste von «Nomad List - Best Places to live for Digital Nomads». Und das, obwohl Europa im Winter der nördlichen Halbkugel an Beliebtheit einbüßt, weil viele «Nomads» dann unter anderem in wärmere Länder in Südostasien reisen.
Gute Anbindungsmöglichkeiten, ausreichende Infrastruktur, das Angebot an Unterkünften und Arbeitsmöglichkeiten sowie der Community-Faktor seien digitalen Nomaden bei der Standortauswahl besonders wichtig, sagt Dienes. Digital-Nomadin Zeidler benennt eine stabile Internetverbindung als wichtigsten Faktor.
Trendregionen versuchen sich anzupassen
Die Länder seien längst auf den Trend aufmerksam geworden und entdeckten das Potenzial der mobilen Arbeiterinnen und Arbeiter als wichtige Tourismus-Zielgruppe, betont Dienes. In Trendregionen passe sich das Angebot immer mehr an «Workation»-Reisende und digitale Nomaden an. Arbeitsmöglichkeiten mit WLAN-Anbindung seien da nur der Anfang. «Man merkt richtig, wie mittlerweile auch kleinere Inseln darauf ausgelegt sind und wie Hostels sich anpassen, vor allem seit Corona», sagt Lina Retzlaff.