Das Bürgergeld soll verschärft werden, Arbeit soll sich immer lohnen und dann wäre da noch die ungewisse Zukunft der Rente. Die größten Baustellen des Sozialstaats – und was die Koalition vorhat.
Der von der Koalition angekündigte «Herbst der Reformen» dürfte sich hinziehen – abgesagt ist er nicht. Ein erstes Gesetz soll «sehr bald» kommen, wie Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) in Berlin ankündigte. Die darin geregelte neue Grundsicherung soll das Bürgergeld ersetzen.
Zum Kern des Projekts sollen verschärfte Regeln gehören. Hinter den Kulissen handelt die SPD-Chefin ihre Reform noch mit CDU-Kanzler Friedrich Merz und weiteren schwarz-roten Spitzenpolitikern fertig aus, wie sie sagte. Das soll nicht alles bleiben. «Ein Winter, ein Frühling, ein Sommer, ein nächster Herbst» würden folgen, hatte Merz angekündigt. «Wir müssen viel länger reformieren als nur einen Herbst lang», so auch Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) in einem Interview.
Zwei der Kommissionen für weitere «echte Reformen» (Merz) sind gestartet. Ökonomen fordern schon lange Strukturreformen. Der Mannheimer Wissenschaftler Nicolas Ziebarth sagt, solche Änderungen könnten den Standort attraktiver machen. «Es geht um die Frage, ob wir den Status Quo bei der Kranken- und Pflegeversicherung, bei der Rente und beim Bürgergeld überwinden können», so der Sozialversicherungsexperte am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Geschähe nichts, stiegen die Sozialabgaben ungebremst und drosselten die Wirtschaft - bis zu einer Quote von 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Was sind die derzeit am stärksten im Fokus stehenden Probleme des Sozialstaats? Und was sind mögliche schwarz-rote Antworten? Fünf Punkte im Überblick:
Das Problem der (Un-)Gerechtigkeit
Ein Hauptziel der Bürgergeld-Reform ist «mehr Gerechtigkeit» – so Bas beim Tag der kommunalen Jobcenter. Das ist in Einklang mit Merz und CSU-Chef Markus Söder. Ökonom Ziebarth erklärt: «Das Bürgergeld ist ein gefühltes Gerechtigkeitsthema. Wer nicht mitmacht, soll stärker sanktioniert werden.»
Bas hat es dabei auf die abgesehen, «die dieses System ausnutzen», wie sie sagte. Wer Termine nicht wahrnimmt, soll Konsequenzen wirklich spüren. Heute können Menschen im Bürgergeld Leistungen um 10 bis maximal 30 Prozent gemindert werden. Aber auch Hürden bei der Vermittlung sollen abgebaut, Beschäftigung soll gestärkt werden.
Das Problem des Missbrauchs
Anstoß erweckt Missbrauch der Sozialsysteme in größerem Stil. So gab es bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) bis August bereits mehr als 600 neue und erledigte Verdachtsfälle auf bandenmäßigen Betrug – Tendenz steigend, Dunkelziffer hoch. EU-Bürger, oft aus Osteuropa, werden laut Behörden von Banden angelockt, billig untergebracht und mit geringer Beschäftigung sowie Sozialleistungsmissbrauch eingesetzt. Auch zehntausende Fälle mutmaßlicher Schwarzarbeit plus Bürgergeld wurden zuletzt in einem Jahr gemeldet.