Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz erreicht eine neue Stufe: KI-Agenten handeln nahezu autonom. Im nächsten Jahr werden die Verbraucher dem voraussichtlich erstmals begegnen: beim Einkauf.
Auf Europas Verbraucherinnen und Verbraucher kommt im Online-Handel 2026 eine größere Neuerung zu: Die Einführung von KI-Agenten, die weitgehend selbstständig Einkaufsaufträge, Urlaubsbuchungen und dergleichen erledigen können. «Wir werden nächstes Jahr den ersten Piloten sehen», sagt Pascal Beij, Chief Commercial Officer beim Zahlungsdienstleiter Unzer. Vorbereitungen treffen unter anderem KI-Anbieter, große US-Technologiekonzerne, Kreditkartenunternehmen, aber auch Reise- und sonstige Online-Portale. «Das wird auf jeden Fall kommen.»
In der Tech-Branche wird die Weiterentwicklung «agentische KI» genannt. Doch worin unterscheidet sich diese von der bisher üblichen generativen KI? Derzeit beantworten ChatGPT und andere KI-Modelle Fragen und erzeugen auf Anweisung ihrer Nutzer Text, Bild und Ton. Im Online-Einkauf sind die Funktionen bislang weitgehend auf die Beantwortung von Fragen und Hilfe bei der Produktsuche beschränkt.
KI-Agenten können nahezu autonom einkaufen
KI-Einkaufsagenten hingegen werden auch bestellen und bezahlen können, einschließlich zeitraubender Aufgaben. Ein Beispiel: die Planung eines Familienurlaubs mit Buchung von Flügen, Hotels und Zugfahrkarten. «Technisch wird das so funktionieren, dass der Nutzer seine Zahlungsdaten bei dem jeweiligen Unternehmen hinterlegen, aber immer das letzte "Go" für die Freigabe der Zahlung geben muss», sagt Beij.
Agentische KI könnte im Online-Handel demnach in drei bis fünf Jahren bereits einen Marktanteil von 20 bis 30 Prozent haben. «Ob und wer am Ende dominant wird, ist völlig unklar», meint Beij. Ein Unternehmen, das seine Vorbereitungen abgeschlossen hat, ist eine internationale Großmacht in der Zahlungstechnologie: der vor allem als Herausgeber von Kreditkarten bekannte US-Konzern Visa. «In den USA haben wir bereits hunderte Transaktionen durchgeführt. In Deutschland und Europa wird das im Laufe des nächsten Jahres kommen», sagt Deutschlandchef Tobias Czekalla.
Die nächste Revolution?
Er vergleicht die Neuerung mit dem Start des E-Commerce in den 1990er Jahren. «Jetzt stehen wir an der Schwelle der nächsten Revolution», meint der Manager. «Das ist das erste Mal in der Geschichte, dass Maschinen für Menschen einkaufen.» Der Mensch hat allerdings immer das letzte Wort: «Ist beispielsweise ein Zugticket oder ein Hotel plötzlich teurer geworden, werden die Kunden noch einmal darauf aufmerksam gemacht.»
Die Kundschaft ist skeptisch
In Umfragen sind viele Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch bislang mehr als nur skeptisch. So sagten in einer Umfrage des Handelsforschungsinstituts IFH zwar 60 Prozent der Befragten, dass sie sich beim Einkaufen Unterstützung durch einen KI-Shoppingagenten vorstellen könnten. Nur neun Prozent würden der KI jedoch die komplette Kaufabwicklung inklusive Bezahlung überlassen.
Wollen Handel und Finanzbranche den KI-Einkaufsagenten zum Durchbruch verhelfen, müssen sie diese ablehnende Haltung überwinden. «Der Kernpunkt ist Vertrauen», sagt Visa-Deutschlandchef Czekalla. «Die Kunden müssen wissen, dass das einfach, sicher und zuverlässig funktioniert.»