In einem Nachruf haben sich deutsche und französische Politikerinnen und Politiker vor Wolfgang Schäuble verneigt. Beim Trauerstaatsakt nimmt auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Abschied.
Der französische Präsident Emmanuel Macron und die Spitzen von Politik und Gesellschaft in Deutschland haben sich in einem bewegenden Staatsakt von dem im Alter von 81 Jahren gestorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble verabschiedet. Macron würdigte Schäuble als Freund Frankreichs und großen Europäer. «Deutschland hat einen Staatsmann verloren. Europa hat eine Säule verloren. Frankreich hat einen Freund verloren», sagte der Präsident auf deutsch in seiner Trauerrede im Reichstagsgebäude in Berlin. Schäubles Wunsch, einen Franzosen im Bundestag sprechen zu lassen, sage viel über dessen Vertrauen in Frankreich und Deutschland aus, ergänzte Macron.
Macron würdigt Schäuble auf Deutsch als großen Vordenker
Macron erinnerte auch an den Tod von Jacques Delors am 27. Dezember. «Nacheinander hat Europa zwei seiner großen Vordenker verloren.» Beide seien Gründerväter der europäischen Einigung und der Aussöhnung der Völker gewesen. «Zwei Staatsmänner, die für ihre Länder und Europa alles gegeben haben.» Es seien zwei Leben als Bindeglieder und Vermittler gewesen. «Sie sind im Abstand von einer Nacht von uns gegangen und unser Herz als Europäer trägt nun zweifache Trauer.»
Mit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags am 22. Januar 1963 seien Deutschland und Frankreich in die Pflicht genommen worden, sich auszusöhnen, sagte Macron. «Diese Aufgabe lag in den Händen mehrerer Generationen. Zu ihnen gehören die Gründerväter Europas (...). Wolfgang Schäuble zählte zu dieser Generation der Baumeister.»
Schäuble war länger als jeder andere Bundestagsabgeordneter
Der frühere Kanzleramtschef, Bundesinnen- und Finanzminister, CDU-Vorsitzende und Bundestagspräsident Schäuble war am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren nach langer Krankheit in seiner Heimatstadt Offenburg gestorben. Dort wurde er auch beigesetzt. Schäuble gehörte dem Bundestag 51 Jahre lang an - länger als jede und jeder andere in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus.
Im Plenarsaal des Bundestages hatten sich neben der Familie Schäubles rund 1500 Gäste aus Politik und Gesellschaft aus dem In- und Ausland versammelt, um sich von Schäuble zu verabschieden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geleitete Schäubles Witwe Ingeborg zu Beginn zu ihrem Platz. Kanzler Olaf Scholz (SPD) saß direkt neben Macron.
Weggefährten nehmen Abschied
Auf der Besuchertribüne nahmen auch die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Ex-Bundespräsidenten Horst Köhler, Christian Wulff und Joachim Gauck sowie die ehemaligen Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth und Norbert Lammert (beide CDU) Platz. Merkel schrieb in das Kondolenzbuch: «Im Gedenken an eine spannende, herausfordernde und immer einem Kompromiss dienende Zusammenarbeit! Danke!» Umrahmt wurde der Festakt für den Musik-Liebhaber Schäuble von Mozart-Musik, er endete mit der Nationalhymne.
Bas: Deutschland verliert großen Demokraten
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sagte: «Deutschland verliert einen großen Demokraten und Staatsmann. Europa einen Vordenker. Und Frankreich einen besonderen Freund.» Für Schäuble sei die europäische Einigung ein Friedensprojekt gewesen, «die Lehre aus der deutschen Geschichte». Dass der Staatsakt zu Schäubles Ehren am Jahrestag des Élysée-Vertrages zur Aussöhnung der beiden einstigen Kriegsgegner Deutschland und Frankreich stattfinde, «hätte ihm gefallen».