Chefarzt gegen Kirche - Streit um Schwangerschaftsabbrüche
Autor: Yuriko Wahl-Immel, dpa
, Freitag, 01. August 2025
Ein Gynäkologe darf keine Schwangerschaftsabbrüche mehr vornehmen - auch nicht bei schweren Fehlbildungen des Fötus. Der katholische Klinikträger untersagt das. Der Arzt klagt gegen den Arbeitgeber.
Es ist ein aufsehenerregender Fall: Ein Gynäkologe und langjähriger Chefarzt klagt gegen ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, das ihm nach einer Klinikfusion der katholische Träger neu auferlegt hat. Am Evangelischen Krankenhaus Lippstadt (EVK) hatte Joachim Volz in den 13 Jahren seiner dortigen Tätigkeit in Einzelfällen mit seinem Team medizinisch indizierte Abbrüche vorgenommen. Seit der Fusion mit einem katholischen Krankenhaus zum «Klinikum Lippstadt - Christliches Krankenhaus» ist ihm das nun per Dienstanweisung untersagt.
Am 8. August wird eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamm in dem Streitfall erwartet. Aber schon seit Wochen erregt die Causa «Chefarzt gegen Kirche» die Gemüter und sorgt für viel öffentliche Aufmerksamkeit. Am Tag der Verhandlung ist eine Demo im südwestfälischen Lippstadt mit einem Marsch von der Klinik zum Gericht geplant, auch mit politischen Vertreterinnen aus Land und Bund. Mehr als 150.000 Menschen haben inzwischen eine Online-Petition des Mediziners unterzeichnet.
Warum klagt der Chefarzt gegen seinen Arbeitgeber?
Nach der Fusion darf der Leiter der dortigen Frauenklinik seit Februar keinen Abbruch mehr durchführen, auch nicht etwa bei schweren Fehlbildungen des Fötus. Das gilt ebenso für seine Privatpraxis im 50 Kilometer entfernten Bielefeld mit einem angeschlossenen Kinderwunschzentrum. Abbrüche sind nur noch ausnahmsweise erlaubt, wenn Lebensgefahr für die Frau besteht.
Paragraf 218 im Strafgesetzbuch
Ein Schwangerschaftsabbruch ist laut Gesetz grundsätzlich rechtswidrig, aber innerhalb der ersten zwölf Wochen und nach Beratung nicht strafbar. Legal ist ein Abbruch, wenn er medizinisch indiziert ist - also etwa bei gravierenden Fehlbildungen des Fötus - sowie nach einer Vergewaltigung und bei Gefahren für Leben, körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.
«Meine Hilfe ist keine Sünde»
Der Chefarzt argumentiert, das Verbot des katholischen Trägers ignoriere das ärztliche Urteil, den Willen der Patientin und das Gesetz, das einen solchen Eingriff in bestimmten Fällen erlaube. Eine Kündigung sei für ihn keine Option, sie würde auch das Kernproblem nicht lösen, der Sache nicht dienen, sagt Volz der Deutschen Presse-Agentur. Seine Hilfe als Arzt sei «ein Gebot der Menschlichkeit».
Am 1. Juli startete der Gynäkologe seine Online-Petition «gegen das katholische Abtreibungsverbot» unter dem Titel «Ich bin Arzt und meine Hilfe ist keine Sünde», die er als «Weckruf an die Politik und die Gesellschaft» versteht. Formal adressiert ist sie an Kanzler Friedrich Merz (CDU) und die drei Ministerinnen für Gesundheit, Familie und Justiz. In der Petition schreibt Volz: «Kirche und Medizin vertragen sich nicht.» Er beklagt «Aus Sicht des katholischen Trägers ist jede Beendigung einer Schwangerschaft Mord, somit wären mein Team und ich "Mörder".»
Gynäkologe: Kirche sollte nicht das letzte Wort haben
Der 67 Jahre alte Mediziner sieht Lippstadt nicht als Einzelfall. Es gebe bereits mehrere Fusionen in der deutschen Kliniklandschaft mit ähnlichen Folgen für die Gynäkologen. «In der Medizin sollte die Patientin – im Austausch mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt – das letzte Wort haben. Nicht ein katholischer Moralapparat, nicht eine Kirche, die sich über die Betroffenen hinwegsetzt.»