Die Ampel tut sich mit einigen ihrer Vorhaben zur Migrationspolitik schwer. Besonders FDP und Grüne liegen weit auseinander. Oft steht am Ende ein Kompromiss, mit dem nur die SPD gut leben kann.
Bei Beratungen über beschleunigte Einbürgerungen und die Beseitigung von Abschiebungshindernissen hat sich gezeigt, dass die trennende Linie in der Migrationspolitik nicht immer zwischen Koalition und Opposition verläuft. Während es bei der ersten Lesung im Plenum des Bundestages am Donnerstag von der Union zumindest Lob für den verlängerten Ausreisegewahrsam und von der Linken Zuspruch für die erleichterte Einbürgerung gab, meldete die Grünen-Politikerin Filiz Polat bei beiden Gesetzesvorhaben Nachbesserungsbedarf an.
Mit ihrer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts will die Bundesregierung Deutschland für Fachkräfte attraktiver machen und die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration anerkennen. Es gehe darum zu zeigen, dass Deutschland eine liberale Demokratie sei und keine «Blut-und-Boden-Gemeinschaft», sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Zuwanderer sollen künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können. Bisher müssen sie mindestens acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein. Wer einen deutschen Pass haben möchte, soll den alten dafür nicht mehr aufgeben müssen. Das gilt jetzt schon für EU-Bürger und einige Sonderfälle, aber beispielsweise nicht für Menschen aus der Türkei.
Die geplante Reform ermögliche es mehr Menschen, in Deutschland heimisch zu werden, ohne dass sie dafür ihre Wurzeln abbrechen müssten, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.
Oft nur eine geringe Rente
Polat erinnerte sichtlich bewegt an Mevlüde Genc. Die gebürtige Türkin, die 1993 durch einen von Neonazis verübten Brandanschlag auf ihr Haus in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hatte, war 1995 Deutsche geworden.
Auf schriftliche Deutsch-Prüfungen und einen Einbürgerungstest soll bei Älteren, die über staatliche Anwerbeabkommen als Arbeitskräfte ins Land gekommen waren, verzichtet werden. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich im Alltag ohne nennenswerte Probleme auf Deutsch verständigen können. Die Anforderung, selbst komplett für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen, soll für diese Menschen nicht gelten. Vor allem Frauen aus dieser Gruppe bekommen aufgrund von langjähriger Beschäftigung im Niedriglohnsektor oft nur eine geringe Rente. Polat sagte, in den weiteren Beratungen sollten auch andere Menschen, «die unverschuldet arbeitslos geworden sind», berücksichtigt werden.
CDU: «Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz»
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), sprach von einem «Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz». Für ausländische Fachkräfte sei eine schnelle Einbürgerung unwesentlich. Wichtiger seien zügige Visaverfahren, ein rascher Familiennachzug sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche.