Das Bundesinnenministerium geht davon aus, dass von Freitag bis Sonntag insgesamt mehr als eine halbe Million Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen sind. Eine Sprecherin nannte in Berlin die Zahl von 576.000 Demonstrantinnen und Demonstranten. Sie berief sich dabei auf Zahlen der Polizei, wies aber auch darauf hin, dass genaue Angaben fehlten, weil es kein Meldesystem gebe.
AfD-Kandiadt verliert Stichwahl
Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis verlor die AfD trotz eines deutlichen Vorsprungs im ersten Wahlgang die Stichwahl. Der CDU-Kandidat Christian Herrgott setzte sich am Sonntag mit 52,4 Prozent der Stimmen gegen AfD-Mann Uwe Thrum mit 47,6 Prozent durch, wie der Landeswahlleiter mitteilte. Die AfD hatte in dem Landkreis auf das bundesweite zweite Landratsamt nach Robert Sesselmann in Sonneberg, ebenfalls in Thüringen, gehofft. In Thüringen und im Saale-Orla-Kreis mobilisierten Initiativen gegen die Wahl Thrums.
In Thüringen, Sachsen und Brandenburg werden im September die Landtage neu gewählt. In allen drei Bundesländern ist die AfD in Umfragen derzeit stärkste Kraft.
AfD sieht Massenproteste als «das letzte Aufgebot»
Die AfD sieht die Massenproteste gegen ihre Politik nach Worten des Bundestagsabgeordneten Bernd Baumann als «das letzte Aufgebot» vor den Wahlen in diesem Jahr. «Wir fürchten das nicht», sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion in Berlin. «Wir sehen das sozusagen als den letzten Versuch, das letzte Aufgebot, in den auf uns zukommenden Wahlen noch irgendwie zu punkten, weil die politischen Argumente ausgegangen sind in den Parlamenten.» Auf der Straße seien «ein paar Hunderttausend», doch habe die AfD zehn Millionen Wähler.
Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla kritisierte, dass «von den wirklichen Problemen in diesem Land damit abgelenkt wird und dass die Regierung das sehr wohl nutzt und wahrscheinlich sogar umkehren will, um den Zorn auf die Opposition zu führen».
Die Co-Vorsitzende Alice Weidel sagte, die AfD werde «diffamiert mit übler Nachrede». Sie fügte hinzu: «Aber ich kann Ihnen sagen, das wird uns auf Dauer nicht schaden, das wird uns stärker machen. Denn hier werden Mechanismen bedient, die mich persönlich an ganz dunkle Zeiten zurückerinnern und da möchte ich, da möchte die Partei Alternative für Deutschland nicht hin.»
Demonstrationen auch in kleinen Städten
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sieht sich ermutigt durch die anhaltenden Proteste gegen rechts. «Die Demonstrationen machen Mut - im ganzen Land, aber vor allem auch in Ostdeutschland», sagte die aus Thüringen stammende Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
«Dort haben wir 1989 die Demokratie erkämpft, jetzt gilt es, sie erneut zu verteidigen.» Göring-Eckardt fügte hinzu: «Nicht nur in den großen Städten, sondern auch in ganz vielen kleineren Orten stehen die Menschen auf. Manch einer beteiligt sich hier zum ersten Mal an einer Demo.»
Proteste sind «etwas Großes»
Der frühere Bundespräsident Christian Wulff (CDU) bezeichnete die Proteste gegen Rechtsextremismus als «etwas Großes», das ihn tief beeindrucke. Auch Menschen, die im Alltag politisch konkurrierten, zeigten sich geeint «durch den Ernst der Lage», sagte Wulff dem «Tagesspiegel».
Nie wieder dürfe eine Minderheit in Deutschland alleine bleiben, wenn sie bedroht werde. Wulff attackierte zugleich die AfD. Die Partei agiere in großen Teilen gegen die Menschenwürde, den Rechtsstaat, die Demokratie. Sollte die AfD an Einfluss gewinnen, würde das nicht nur Minderheiten massiv gefährden, «sondern dem ganzen Land schaden», warnte Wulff.