"Bereiten Sie sich auf Notlagen vor": Bevölkerungsschutz-Chef fordert Deutsche auf, "widerstandsfähiger" zu werden
Autor: Robert Wagner
Deutschland, Freitag, 17. Januar 2025
Das Bundesamt für Katastrophenschutz hat schon immer dazu geraten, Notfallvorräte anzulegen. Dass innerhalb kurzer Zeit aber sowohl der BND-Chef als auch der BBK-Vize öffentlich vor Katastrophen warnen und zum Anlegen von Notfallvorräten raten, zeigt: Die Lage ist ernster als in den vergangenen Jahren. Nun legte der oberste Bevölkerungsschützer noch einmal nach.
Wir leben in unsicheren Zeiten - oder zumindest in unsichereren im Vergleich zu den letzten drei Jahrzehnten: "Wir haben in Deutschland lange von der Friedensdividende profitiert", betonte deshalb unlängst René Funk, Vizepräsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), gegenüber t-online.
Tatsächlich hatte auch der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, Ende November 2024 im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vor zunehmenden Gefahren gewarnt - vor allem durch hybride Angriffe Russlands. Funks Forderung deshalb: "Ich appelliere an die Bürgerinnen und Bürger: Bereiten Sie sich auf Notlagen vor." Anfang 2025 legt nun auch BBK-Präsident Tiesler nochmal nach: Seiner Meinung nach müsse man in Deutschland "in allen Bereichen widerstandsfähiger werden".
Corona, Ukraine-Krieg, Energiekrise: So fragil ist unsere Gesellschaft
Denn laut Funk seien Notlagen jederzeit möglich - ein Gedanke, der vielen Menschen lange unwahrscheinlich erschien. Vor allem aber auch die Corona-Pandemie und die Invasion Russlands in der Ukraine haben den Menschen hierzulande vor Augen geführt, wie fragil unsere Ordnung zuweilen ist.
Schon diese beiden Ereignisse zeigen: Katastrophen können menschengemacht oder auch natürlich sein. Zu letzteren gehören neben Epidemien auch Ereignisse wie Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche oder auch kosmische Katastrophen wie Superflares, die neuesten Erkenntnissen nach deutlich häufiger sind, als angenommen. Hochwasserlagen, die Corona-Pandemie und andere Katastrophen der vergangenen Jahre haben aus Sicht von Bevölkerungsschützern gezeigt, dass Deutschland bei der Notfallvorsorge Nachholbedarf hat. "Wir müssen in allen Bereichen widerstandsfähiger werden", sagt der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, der Deutschen Presse-Agentur. Dazu gehöre auch, die Bevölkerung stärker für Gefahren zu sensibilisieren und zu zeigen, wie jeder in Notfällen Freunden oder Nachbarn helfen und so Menschenleben retten könne.
In den letzten Monaten immer stärker in den Fokus gerückt sind jedoch vor allem menschengemachte Katastrophen. "Wir sind bereits jetzt täglich einer Vielzahl von hybriden Angriffen ausgesetzt", sagt Funk. Und BND-Chef Kahl geht davon aus, dass gerade Russland diese Art der Angriffe in den nächsten Monaten und Jahren intensiveren werde. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass Russland zeitnah mit Panzerkolonnen Richtung Westen rollen wird, wie es in Zeiten des Kalten Krieges befürchtet wurde. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hybride Bedrohungen habe sich die Sicherheitslage in Europa aber grundlegend verändert, betont auch Deutschlands oberster Bevölkerungsschützer Tiesler. Er sagt: "Wir müssen neben der militärischen Abschreckung und Verteidigung daher auch den Zivilschutz weiter stärken."
Russland will Nato austesten: hybride Angriffe befürchtet
Denn auch mit "kleineren" militärischen Provokationen - man denke an den "Angriff" auf einen Hubschrauber der Bundeswehr über der Ostsee vor wenigen Wochen - und Sabotage-Akten wie den mutmaßlichen Angriffen auf Untersee-Datenkabel könne Russland die Verteidigungsbereitschaft und vor allem den Verteidigungswillen des Westens austesten.
Russland wolle die Beistandsbereitschaft vor einer offensiven Auseinandersetzung testen und einzelne Alliierte von den gemeinsamen politischen Linien und von einer Verteidigung abbringen. Moskau würde damit versuchen, die Nato noch vor einem möglichen Kriegsbeginn zu spalten, warnte der BND-Chef. "Der Kreml geht wahrscheinlich davon aus, dass der Westen in einer von multiplen Konflikten geprägten Welt Schwierigkeiten hat, die richtigen gemeinsamen Antworten zu finden", fügte er hinzu.