Steigende Preise für Energie und Lebensmittel sowie der Personalmangel machen der Branche zu schaffen. Nun soll nach dem Willen der Regierungskoalition im Bund die während der Corona-Pandemie von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkte Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie zum 1. Januar 2024 wieder auf den normalen Satz angehoben werden. Bayern hat für die Sitzung des Bundesrats an diesem Freitag beantragt, die gesenkte Umsatzsteuer auf Getränke auszudehnen und dauerhaft einzurichten. Dafür solle der Vermittlungsausschuss angerufen werden.
Angeschlagene Betriebe werden unter Steuererhöhung leiden
In der Gastronomie ist laut Crif inzwischen jeder achte Betrieb (12,6 Prozent) von der Pleite bedroht - Tendenz weiter steigend. Wegen der zum Jahreswechsel geplanten Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz bei Speisen erwarten die Branchenbeobachter weitere Insolvenzen. "Die Anhebung der Mehrwertsteuer wird vor allem für bereits finanziell angeschlagene Gastronomiebetriebe die Lage weiter verschärfen", erläuterte Crif-Geschäftsführer Frank Schlein. Vor der Pandemie galten nur 10,7 Prozent der Betriebe als insolvenzgefährdet. In diesem Jahr erwartet Schlein in der Gastronomie rund 1600 Insolvenzfälle und damit 36,5 Prozent mehr als 2022. "Im kommenden Jahr werden die Insolvenzen in der Gastronomie weiter steigen", prognostizierte der Finanzexperte.
Der Dehoga-Verband hat die Hoffnung auf eine dauerhaft reduzierte Speisen-Besteuerung noch nicht aufgegeben, macht Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges deutlich. Man fordere seit Jahrzehnten die steuerliche Gleichbehandlung von Essen in Restaurants und Cafés mit den zum Mitnehmen angebotenen Speisen zum Beispiel in Supermärkten und der Essenslieferung. "Es kann nicht sein, dass nur das Essen auf unseren Porzellantellern ab 1. Januar mit 19 Prozent besteuert wird. Steuerfairness sieht anders aus", sagte Hartges der dpa.
Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes lag auch mit dem niedrigeren Steuersatz der preisbereinigte Umsatz der Betriebe im September 12,6 Prozent unter dem Niveau vom 2019. Besonders hart getroffen sind getränkeorientierte Kneipen, die von der zwischenzeitlichen Mehrwertsteuerabsenkung für Speisen kaum profitieren konnten. Im Bereich Getränkeausschank gingen die Erlöse innerhalb von vier Jahren um 34,5 Prozent zurück. Restaurants, Gaststätten und Cafés mussten mit einer Lücke von 8,1 Prozent zurechtkommen.
Gewerkschaft fordert attraktivere Bedingungen für Gastro-Arbeit
Mit den sinkenden Umsätzen und nach zwischenzeitlichen Lockdowns ist auch die Beschäftigtenzahl geschrumpft. Sie lag im September zwar 4,0 Prozent höher als vor einem Jahr, aber immer noch 6,7 Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau von 2019. Im Kampf um das in der Pandemie knapper gewordene Personal können die Betriebe trotz einiger Tarifsteigerungen nicht auf gute Verdienstmöglichkeiten verweisen. Laut Bundesamt arbeitete im Oktober 2022 exakt die Hälfte der Gastronomie-Beschäftigten zu Niedriglohnbedingungen - im Vergleich zu 15,2 Prozent in der Gesamtwirtschaft.
Die Gewerkschaft NGG hält daher den Arbeitskräftemangel für hausgemacht. "Ohne Restaurantfachleute, Köchinnen und Fachleute, die den Laden am Laufen halten, müssen in Zukunft die Öffnungszeiten noch kürzer und die Karten noch kleiner werden und damit Umsätze weiter schrumpfen", mahnt NGG-Chef Guido Zeitler. Er verlangt einen echten Neustart für die Branche: "Die Löhne müssen flächendeckend steigen und die Tarifverträge endlich von allen Arbeitgebern angewendet werden. Nur mit besseren Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen wird die Branche wieder attraktiv und kann die großen Personallücken schließen."
Die Dehoga setzt eher auf Impulse des Staates. "Auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir mehr Anreize, dass es sich lohnt, eine Arbeit aufzunehmen", sagt Hauptgeschäftsführerin Hartges. "Wir sind die Branche der Chancen und der Integration. Wer erst einmal in Arbeit ist, bekommt auch Chancen auf qualifiziertere Tätigkeiten."
Update vom 22.11.2023: Sorgen unbegründet? ZEW rechtfertigt Erhöhung der Mehrwertsteuer
Bis heute kämpft die Gastronomie mit den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie. Ende des Jahres läuft die Regelung der ermäßigten Mehrwertsteuer aus und die Rückkehr zum regulären Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent steht an. Viele Gastronomen sehen sich angesichts der bevorstehenden Änderung in ihrer Existenz bedroht und befürchten ein Massensterben von Betrieben.
Die Argumente und Sorgen der Branche seien laut einem Forscherteam des Leibniz-Instituts für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) unbegründet und halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Gegenteilig zu den Aussagen der Gastrobeteiber und Politik sei nach Einschätzungen der ZEW eine Rückkehr zum alten Steuersatz von 7 auf 19 Prozent sogar sinnvoll.
In ihrer Bewertung führen die ZEW-Ökonomen aus, dass die Gastronomie trotz Steuersenkungen die Preise erheblich gesteigert hat und so "zumindest für einen Teil der Branche ein gewisser Spielraum in den Margen" entstanden sei. Infolge der Mehrwertsteuererhöhung sollte dadurch ein Teil dieses Preisdrucks aufgefangen werden. Die Experten schätzen die Lage so ein, dass Gastronomen auch deshalb ihre Preise erhöht haben, um sich vorausschauend auf die Steigerung der Steuer - wie ursprünglich geplant - einzustellen.
Auch ein Preisschock mit voller Weitergabe der Erhöhung an die Verbraucher sei nicht plausibel. Die Preissteigerungen der vergangenen Jahre sprechen in den Augen des Instituts gegen eine solche Entwicklung. Aktuell geht man davon aus, dass die Weitergabe zwischen 70 bis 80 Prozent des Steuersatzes besträgt. Der genaue Anteil ist allerdings noch unklar, weswegen sich mit Prognosen bezüglich der Folgen auf die Umsätze der Branche zurückgehalten wird.
Der deutsche Hotel- und Gastättenverband (DEHOGA) rechnet hingegen mit krassen Einbußen und der Schließung von knapp 12.000 Betrieben. Eine genaue Einschätzung diesbezüglich sei nach Finanzexperten schwierig und davon abhängig, inwieweit die Gastronomen den Anstieg der Mehrwertsteuer in ihre Preiskalkulationen miteinbezogen haben.
So oder so halten die Experten des ZEW eine dauerhaft niedrige Mehrwertsteuer für nicht gerecht, da es sich um eine Steuersubvention des Staates handle und die damit einhergehenden Steuerausfälle an anderer Stelle wieder eingeholt werden müssen. Bei Beibehalten des aktuellen Steuersatzes von 7 Prozent würden die Kosten immer weiter steigen. Dies hätte laut Prognosen für das kommende Jahrzeht Gesamtkosten von rund 38 Milliarden Euro zur Folge, die durch Erhöhungen und Kürzungen in anderen Teilen der Finanzlandschaft gegenfinanziert werden müssten. Das ZEW plädiert daher an die Bundesregierung, sich zu der Erhöhung zum Jahresende zu bekennen.
Update vom 21.11.2023: Finanzminister Lindner sieht Schuld für Erhöhung bei SPD und Grünen
Die nächste Runde im Streit um die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wird von Christian Lindner eingeläutet. Der Bundesfinanzminister hat in einem Interview in der Bild am Sonntag die Koalitionspartner von SPD und Grünen für die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie verantwortlich gemacht.
In dem auf der Seite des Ministeriums veröffentlichen Gespräch mit der Zeitung erklärt er: „Wenn alle Parteien an einem Strang gezogen hätten, wäre eine weitere Verlängerung drin gewesen. SPD und Grüne hatten aber andere Prioritäten. Ich verstehe, dass viele es bedauern. Aber die Rückkehr zur Normalität muss man akzeptieren“.
Die gesenkte Gastro-Mehrwertsteuer sei demnach eine Krisenhilfe gewesen, die aufgrund der Entscheidungen der großen Koalition schon in diesem Jahr entfallen wäre. Das habe er für 2023 verhindern können, sagte Lindner.
Widerspruch kommt derweil von den Grünen im Bundestag. Über einen Haushalt verhandele man gemeinsam, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch laut der Deutschen Presse-Agentur: „Es lagen in einer schwierigen Haushaltslage viele Fragen und Vorschläge auf dem Tisch. Entscheidungen treffen wir in der Ampel gemeinsam. Es ist kein guter Stil, wenn der Finanzminister nachher nichts mehr mit den Beschlüssen zu tun haben will.“
Update vom 20.11.2023: Alexander Herrmann warnt vor Zerbrechen der Gastro-Branche
Der TV-Koch und Restaurantbesitzer Alexander Herrmann erwartet, dass mit der Rückkehr zur vollen Mehrwertsteuer Tausende Gastronomien schließen müssen. "Mit diesem Schritt wird seitens der Politik förmlich dabei zugeschaut, wie eine durchaus systemrelevante Branche in Teilen zerbricht", teilte Herrmann am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mit. Im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Staaten sei die Mehrwertsteuer mit 19 Prozent in der deutschen Gastronomie viel zu hoch angesetzt.
"Das geht meiner Meinung nach gegen den Gedanken der europäischen Gemeinschaft bzw. gegen die europäische Gerechtigkeit", kritisierte Herrmann, der in Bayern im oberfränkischen Wirsberg sowie in Nürnberg kocht. Er gehe davon aus, dass zwischen 10.000 bis 30.000 Gastronomien schließen müssten, weil sie der aktuellen Situation nicht Stand halten könnten. Die Situation in der Gastronomie sei zurzeit "maximal angespannt."
Auch der Inhaber des Potsdamer Sterne-Restaurants "Kochzimmer", Jörg Frankenhäuser, rechnet mit einer schwierigen Situation für viele Gastronomen. "Wenn Sie 300.000 Euro Umsatz haben und 12 Prozent mehr abgeben müssen, schmälert das ihren Gewinn um 36.000 Euro", rechnete Frankenhäuser vor. Dies werde in einigen Fällen sicher zu Schließungen und Entlassungen führen.
Das Kochzimmer werde diese Mehrkosten nicht in vollem Umfang an die Gäste weitergeben können, meinte Frankenhäuser. Denn mit der Diskussion um die Energiekrise sei die Nachfrage bereits im November vergangenen Jahres spürbar eingebrochen. "Die Leute wollen dann lieber ihr Geld zusammenhalten", sagte er. Zwar habe es im Sommer eine leichte Erholung gegeben, aber auch in diesem Herbst sei schon wieder Zurückhaltung der Gäste spürbar.
Essengehen wird im kommenden Jahr noch mal deutlich teurer. Die Ampel-Koalition hat sich nach Angaben der Chefhaushälter von SPD, Grünen und FDP darauf verständigt, die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ab dem 1. Januar wieder auf 19 Prozent anzuheben. Die Steuer war Mitte 2020 wegen der Coronakrise vorübergehend gesenkt worden. Die geplante Rückkehr zum gewohnten Steuersatz wurde danach mehrfach verschoben.
Update vom 18.11.2023: Söder nennt höhere Mehrwertsteuer in Gastronomie falsch und fatal
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ab 1. Januar ist aus der Sicht von CSU-Chef Markus Söder ein völlig falsches und fatales Signal. "Sie führt zu höheren Lebensmittelpreisen, ist mittelstandsfeindlich und heizt die Inflation nur zusätzlich an. Unsere Wirtschaft und Bevölkerung müssen in diesen Krisenzeiten entlastet werden - und nicht belastet", sagte der bayerische Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur in München.
Söder reagierte mit seiner Kritik auf Berichte, nach denen die Regierungskoalition im Bund die derzeit noch auf 7 Prozent reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen zu Jahresbeginn wieder anheben will. Darauf hatte sich nach Informationen der dpa die Ampel-Koalition am Donnerstagabend verständigt. "Anstatt die Preise beim Essen zu erhöhen, braucht es eine Senkung der Steuer auf Grundnahrungsmittel auf null Prozent", betonte Söder. Wenn ausgerechnet die FDP dieser Steuererhöhung zustimmen würde, "wäre dies ein beispielloser Wortbruch, der zum Verlust von Arbeitsplätzen führt und berufliche Existenzen vernichtet. Mittelstand und Gastronomie brauchen unsere Unterstützung und keine Benachteiligung."
Die Branche hatte bis zuletzt vehement dafür geworben, die Steuersenkung nicht auslaufen zu lassen. "Die Politik hat einmal mehr sämtliche Warnungen von Branchenverbänden in den Wind geschlagen. Sie geht statt dessen einen Sonderweg im Vergleich zu anderen europäischen Staaten auf Kosten der Betriebe und der Bürger, um das Steueraufkommen zu erhöhen", sagte Achim von Michel vom Verband Der Mittelstand.BVMW in Bayern. Durch die Anhebung der Mehrwertsteuer stünden allein in Bayern circa 2400 Betriebe vor dem Aus. "Die jüngste Entscheidung vernichtet erneut Zehntausende Arbeitsplätze in Bayern und in ganz Deutschland."
Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung wird mit sieben Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres.
Auch der bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und die Staatsregierung sprachen am Freitag von einer fatalen Entscheidung. Die Folge seien steigende Preise, sinkende Umsätze und ein Verlust an Arbeitsplätzen und Lebensqualität, sagte Dehoga-Landespräsidentin Angela Inselkammer in München. Die Ampel-Koalition nehme "Insolvenzen, Ausbildungs- und Arbeitsplatzverluste im ländlichen Raum und die Verteuerung von Speisen in nahezu allen Bereichen unseres Lebens in Kauf". In Bayern beschäftige die Gastronomie rund 450.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Es gab aber nicht nur Kritik an der Entscheidung. Die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer sagte am Freitagmorgen im Deutschlandfunk: "Die Corona-Pandemie, die ist vorbei. Dass man weiterhin die Gastronomie extra unterstützt, ist nicht einzusehen."
Geben die Gastronomen die Steuererhöhung eins zu eins weiter?
Was die nun anstehende Steueranpassung effektiv für die Preise in der Speisekarte bedeuten könnte, wird anhand einiger Beispiele deutlich:
- Ein Salat für jetzt 10,70 Euro kostet bald 11,90 Euro.
- Für ein Nudelgericht für aktuell 15 Euro sind bald 16,68 Euro fällig.
- Der Preis für beispielsweise ein Steak springt von 25 Euro auf 27,80 Euro.
- Für weitere Beispiele: Die jetzt in den Speisekarten aufgeführten Preise könnten mit dem Mehrwertsteuerplus um 11,2 Prozent steigen.
Voraussetzung für die Beispielrechnungen ist, dass die Gastronomen die Steuererhöhung eins zu eins an die Kunden weitergeben. Machen sie das nicht, verdienen sie mit jedem verkauften Gericht weniger als aktuell. Da die Preise für Lebensmittel und Energie absehbar weiter steigen, sind auch Preisaufschläge von mehr als den erwähnten 11,2 Prozent zu erwarten.
Originalmeldung vom 17.11.2023: Schlechte Nachricht für Gastro-Gäste: Entscheidung zu Mehrwertsteuer ist gefallen
Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie wird zu Jahresbeginn 2024 wieder auf 19 Prozent angehoben. Darauf verständigte sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Ampel-Koalition. Zuvor hatte das Handelsblatt berichtet.
Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung wird mit sieben Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Die Branche hatte zuletzt vehement dafür geworben, die Steuersenkung nicht auslaufen zu lassen.
Wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer haben auch Gastrobetriebe in Bayern bereits Alarm geschlagen: Ein Münchner Wirt zeigt auf seiner Speisekarte, wie stark die Schnitzelpreise ab Januar steigen könnten.