Landtagswahl 2023: Wer sind eigentlich die "Sonstigen"? Diese "Exoten" treten an
Autor: Agentur dpa
Bayern, Dienstag, 03. Oktober 2023
Manche Politiker erleben alle paar Jahre ein Sisyphos-Schicksal. Nach einem zeitraubenden Wahlkampf landen sie am Wahlabend in der anonymen "Sonstigen"-Kategorie. Wofür dann der Kampf?
Wie immer im Wahlkampf sind auch dieser Tage auf Bayerns Straßen zahllose Plakate mit lächelnden Politikern zu sehen. Neben bekannten Gesichtern wie CSU-Chef Markus Söder oder der Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze gibt es auch viele Plakate von Unbekannten und Parteien wie der V-Partei³ oder den Humanisten. Doch was steckt hinter den "Exoten", deren Kandidaten kaum jemand kennt und die am Wahlabend in den Ergebnissen fast immer nur unter "Sonstige" auftauchen? Und was motiviert sie, sich im Wahlkampf zu engagieren?
Die meisten "Exoten" seien intrinsisch motiviert, "es liegt häufig an dem Idealismus einer relativ kleinen Gruppe, die wirklich von dem überzeugt ist, was sie tut", erklärt Ulrich Sieberer, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bamberg. "Der Wahlkampf ist wichtiger als das Wahlergebnis". Dabei geht es vielen nicht um einen Sitz im Parlament, der wegen der Fünf-Prozent-Hürde in unerreichbarer Ferne liegt. Vielmehr nutzen sie die Gelegenheit, im Wahlkampf auf ein Thema aufmerksam zu machen. So wirbt die V-Partei³ für eine vegane Lebensweise auch fernab von Lebensmitteln.
Teilnahme ist alles - darum kandidieren "Exoten" für den Landtag
Zugleich hoffen die Parteien und Personen mit ihrer Kandidatur auf eine gewisse Sichtbarkeit, erklärt Martin Gross, Professor für Politikwissenschaft an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. "Auf diese Weise sind sie in den Köpfen der Wähler präsent", was wiederum bei anderen Gelegenheiten wie den Kommunalwahlen helfe. Wie nahe man einer der "Exoten"-Parteien steht, kann man unter anderem beim Wahl-o-mat für die Landtagswahl testen.
Im konservativen Lager hätten CDU und CSU "jahrzehntelang kleinere Parteien aufgesaugt, um als die Volkspartei dazustehen", sagt Gross. Auf der linken Seite des politischen Spektrums sei schon immer die Bereitschaft größer, eine neue Partei zu gründen. So gibt es beispielsweise im grünen Spektrum verschiedene Angebote wie die ÖDP, die Tierschutzpartei oder besagte V-Partei³. Die vegane Partei beschäftigt sich mit der Landwirtschaft und setzt sich unter anderem für eine Umstellung auf Bio-Produkte sowie das Ende der Massentierhaltung ein. Dies seien durchaus unpopuläre Themen, sagt Roland Wegner, Bundesvorsitzender der V-Partei³. "Bei uns geht es um Inhalte, bei den anderen Parteien um Stimmen."
Im Wahlkampf verwendet die Partei nach eigenen Angaben nur nachhaltige Materialien, Plakate werden wiederverwendet, Plastikkugelschreiber gibt es nicht. Wegner ist allerdings mit der Darstellung als "Sonstige" unzufrieden: "Unter den sechs bis acht Prozent sind insgesamt nur sieben andere Parteien. Die haben alle einen Namen und am Platz kann es nicht liegen, dass diese Parteinamen nie dargestellt werden."
Sollte man Spaßparteien wählen? Experte mit klarer Meinung
Ein weiterer "Exot" ist die Partei der Humanisten. Sie definiert sich selbst als "rational, liberal und fortschrittlich" und will die EU als Föderalstaat ausbauen. Die jetzige Bundes- und Landespolitik sei "sehr viel von Ideologie getrieben", sowohl in den Zielen als auch in der Umsetzung, sagt Landtagskandidat Jörg Hannig. Die Partei der Humanisten wolle dagegen eine faktenbasierte Politik, ohne Angst und Weltuntergangsstimmung. "Wir wollen nationalstaatliche, religiöse und auch kulturelle Differenzen beiseitelegen", ergänzt Frederic Forkel, der auch für die akademisch geprägte Partei kandidiert. Generell präsentieren sich aber auch die "Exoten" meist nüchtern im Wahlkampf. Lediglich von der "Partei" stechen die Plakate ein wenig hervor. Als eine "reine Satirepartei" sei sie trotzdem in der Lage, den Unmut vieler Wähler aufzufangen und habe es bis ins Europäische Parlament geschafft, betont Gross.
Andere durchaus bekanntere "Exoten" wie die Piraten wurden wegen fehlender Formalitäten in diesem Jahr in Bayern nicht zur Wahl zugelassen. Auch die anarchistische Pogo-Partei, die sich in den sozialen Medien als "Partei des Pöbels und der Sozialschmarotzer" bezeichnet, hatte nicht die erforderlichen Unterschriften gesammelt. Solche Parteien zu wählen, sei kritisch, sagt Gross. "Das ist ein Wegwerfen von Stimmen, die man hat." Das Angebot sei groß genug und es gebe genügend Alternativen, wenn man mit den etablierten Parteien unzufrieden sei. "Man muss nicht die Spaßpartei wählen."