Druckartikel: Kritik an Bayerns AKW-Plänen: "Söder wirft sich mit großer Geste hinter einen abgefahrenen Zug"

Kritik an Bayerns AKW-Plänen: "Söder wirft sich mit großer Geste hinter einen abgefahrenen Zug"


Autor: Svenja Hentschel

München, Montag, 17. April 2023

Der Atomausstieg in Deutschland ist abgeschlossen: Die letzten Kernkraftwerke sind außer Betrieb genommen worden. Das freut allerdings nicht alle. Vor allem einer kann sich mit dem Ende der Kernkraft-Ära nicht anfreunden: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Mit seinen Plänen stößt er allerdings auf wenig Anklang.
Mit seiner Forderung eines Alleingangs Bayerns stößt Ministerpräsident Söder auf wenig Begeisterung.


  • Atomausstieg: Ära der Kernkraft in Deutschland ist vorbei
  • Pläne in Bayern: Markus Söder (CSU) will Atom-Alleingang
  • Kritik: So äußern sich Politiker*innen zu Söders Vorhaben

Am Samstag (15. April 2023) sind die letzten Atomkraftwerke (AKW) Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 vom Netz genommen worden. Das führt zu verschiedenen Reaktionen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist sich sicher: "Der Atomausstieg macht unser Land sicherer." CDU-Chef Friedrich Merz dagegen findet, der Tag der AKW-Abschaltung sei ein "schwarzer Tag für Deutschland" gewesen. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist nicht überzeugt von dem Ende der Kernkraftwerke und will das bayerische Kernkraftwerk Isar 2 weiter laufen lassen

Bayern und die Atomkraftwerke: Söder stößt auf Kritik

Söder fordert vom Bund eine Änderung des Atomgesetzes, um das AKW Isar 2 in Landesverantwortung am Netz lassen zu können. "Bayern fordert vom Bund eine eigene Länderzuständigkeit für den Weiterbetrieb der Kernkraft. Solange die Krise (bei der Energieversorgung infolge des Ukraine-Kriegs) nicht beendet und der Übergang zu den Erneuerbaren nicht gelungen ist, müssen wir bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie nutzen", erklärte er gegenüber der Bild am Sonntag. Bayern sei bereit dazu. Der Plan der Bundesregierung ist es, künftig mehr erneuerbare Energien einzusetzen. Um eine "sichere, klimaverträgliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft" zu bieten. Ziel sei die "Unabhängigkeit von fossilen Energien."

Video:




Söder hatte zuletzt im Interview mit dem Focus die Abschaltung der AKW kritisiert: "Es ist ein grundlegender Fehler, Ideologie vor Vernunft zu setzen. Die Abschaltung der Kernenergie ergibt aus pragmatischen Gründen zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn." Auf die Frage, wie er den Prozess noch stoppen wollte, sagte er entschieden: "Für mich ist klar: Wenn die Union die nächste Bundestagswahl gewinnt, sollte es eine Verlängerung der Kernenergie geben." Im Oktober finden in Bayern die Landtagswahlen statt.

Die Ampel-Koalition wird wohl kaum auf Söders Pläne eingehen. Denn dann wäre auch die Frage nach der Endlagerung des in Bayern weiter produzierten Atommülls gesondert zu klären. Bei der bundesweiten Suche nach einem Ort für ein Endlager für den bisherigen Atommüll steht Bayern schon jetzt auf der Bremse, sobald es um das Gebiet des Freistaats geht.

Kritik von den Grünen: "Ein bisschen Seriosität muss man doch auch von Markus Söder erwarten können" 

Für die Grünen ist klar: Söders Forderung sei ein "durchsichtiges Wahlkampfmanöver." So bezeichnete Grünen-Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann Söders Verhalten, wie der Tagesspiegel berichtet. Lemke pochte auf die Zuständigkeit des Bundes für die Atomkraft und verwies darauf, dass die Länder bei dem Thema im Bundesauftrag handelten. "Es ist geradezu bedrückend, wie ein Ministerpräsident genehmigungs- und verfassungsrechtliche Fragen und Aspekte der nuklearen Sicherheit so leichtfertig ignoriert", sagte die Grünen-Politikerin der Süddeutschen Zeitung und der Bild-Zeitung.  "Selbst wenn man den Reaktor, wie Herr Söder es offensichtlich will, wieder ans Netz bringen möchte, reicht es dazu nicht, ihm eine neue Laufzeit rechtlich einzuräumen. Es bedürfte quasi einer Neugenehmigung des Reaktors."  

"Ein bisschen Seriosität muss man doch auch von Markus Söder erwarten können“, sagte Haßelmann weiter. "Statt rückwärtsgewandte Debatten zu führen, wäre Söder gut beraten, in Bayern jetzt endlich den Turbo beim Ausbau der Windkraft und Stromnetze einzulegen und endlich auch Verantwortung für die Endlagersuche für den atomaren Müll zu übernehmen." Auch der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) findet kein Lob für Söder. Er werfe sich "mit großer Geste hinter einen abgefahrenen Zug", sagte Trittin gegenüber der Welt Die Zuständigkeit für die Kernenergie liege nach dem Grundgesetz beim Bund. "Das gilt auch für Bayern, selbst zu Wahlkampfzeiten", betonte Trittin. Aus Sicht von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hat Söder mit seinem Vorstoß implizit eine Zusage gegeben, Atommüll in Bayern zu lagern, wie sie in der ARD-Sendung Anne Will sagte.

Auch FDP-Politiker zeigten sich verwundert über Söders Aussagen. FDP-Vize Johannes Vogel äußerte sich bei Anne Will leicht genervt: "Markus Söder wechselt seine Positionen ja wie Unterhosen. So jemand Erratischem würde ich ungern die Verantwortung für Energiepolitik geben." Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (FDP) macht in der Rheinischen Post nochmals deutlich, dass FDP Sympathie für einen längeren AKW-Betrieb habe, aber: "Bis ein Gesetz zur Föderalisierung der Stromerzeugung aus Kernenergie beschlossen wäre, hätte er (Söder) seine Meinung vermutlich wieder geändert." Als bayerischer Umweltminister habe Söder den Atomausstieg auch noch vorangetrieben.

Unterstützung für Söder aus den eigenen Reihen 

Bei der CDU findet Söder wenig überraschend Unterstützung für seine Idee. Unionsfraktionsvize Jens Spahn schrieb auf Twitter: "Jetzt braucht es pragmatische Lösungen. Wenn Bayern bereit ist, die politische und fachliche Verantwortung für den Weiterbetrieb zu übernehmen, sollte der Bund dies ermöglichen. Markus Söder hat mit der Forderung die große Mehrheit hinter sich." Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte der Rheinischen Post, die Kernenergie aufzugeben, sei eine Fehlentscheidung. "Es ist deshalb richtig und Ausdruck seiner Verantwortung als Ministerpräsident, wenn Markus Söder alle Möglichkeiten in Betracht zieht, um diesen groben Fehler doch noch abzuwenden."

Ob tatsächlich "die große Mehrheit" hinter Söder steht, erscheint allerdings fraglich. Denn sogar das Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) hat die bayerische Forderung kritisiert, abgeschaltete Atomkraftwerke in Landesverantwortung weiterzubetreiben. "Die heutigen Forderungen des Bayrischen Ministerpräsidenten unterstreichen, wie wichtig es ist, dass die politische Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Deutschland bei der Bundesregierung liegt“, sagte Präsident Wolfram König der Deutschen Presse-Agentur.

Mit dpa

Das könnte dich auch interessieren:

  • Söder will Alleingang: Bayerisches AKW soll in Landesregie weiter betrieben werden
  • Nach dem Aus für die Atomkraftwerke: Wird der Strom für Verbraucher jetzt teurer?
  • CDU-Chef Merz über AKW-Abschaltungen: "Schwarzer Tag für Deutschland"