Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Schmerz und quälende Ungewissheit
Autor: Carsten Hoffmann (Text) und Kay Nietfeld (Fotos), dpa
, Freitag, 23. Februar 2024
Der Ukraine-Krieg geht ins dritte Jahr und Russland ist an vielen Frontabschnitten in der Initiative. Die Hoffnung auf einen schnellen Sieg der Verteidiger ist verflogen.
Wenn Russland aus der Luft angreift, kann es für die Ukrainer um Minuten gehen und manchmal nur um Sekunden. «Huzul» (20), Kommandant eines Flugabwehrkanonenpanzers Gepard, hat den mit Bolzen gesicherten Turm des Panzers, der rechts und links die Maschinenkanonen trägt, dann schon entriegeln lassen.
Das Radar am Heck dreht sich hektisch zur Zielerfassung. «Ich halte den Kontakt zum Gefechtsstand und warte auf den Feuerbefehl», sagt der junge Mann östlich der ukrainischen Hafenmetropole Odessa. Er wurde im vergangenen Jahr in Deutschland ausgebildet und schützt nun Infrastruktur.
Den Moment eines Abschusses beschreiben die Soldaten als eine erlösende Freude, die auf die enorme Anspannung folgt. 30 bis 40 Schuss hämmern die Maschinenkanonen dann rechnergesteuert auf das Ziel. Vor allem die langsamen Drohnen sind relativ leicht zu zerstören, wenn sie denn in Reichweite sind. Der Richtkanonier ist 21 Jahre alt und sein Rufname ist «Odessa». «Wir lassen sie möglichst nah kommen. Dann ist die Erfolgsrate höher», sagt er.
Moskau: Odessa «ist unsere russische Stadt»
Die «Gepard»-Besatzung gehört zu den Männern und Frauen, die in dem Abwehrkampf immer wieder an vorderster Stelle bestehen müssen. Mehrfach wird am Donnerstag im Raum Odessa Luftalarm ausgelöst. Und zwei Jahre nach dem Beginn des Angriffs lässt die Führung in Moskau auch politisch keinen Zweifel an ihren militärischen Ambitionen erkennen. Im Gegenteil: Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew spricht sich für die Annexion Odessas aus, später womöglich auch die Einnahme der Hauptstadt Kiew. «Odessa, komm nach Hause zurück», sagt er als Vizechef des russischen Sicherheitsrates. Und betont: «Das ist unsere russische Stadt.»
Dass Russland in dieser Form vorstoßen könnte, scheint nicht realistisch. Moskau in einen Rückzug oder gar eine Niederlage zu zwingen, scheint aber auch in weiter Ferne. Mit Sorge beobachten westliche Militärexperten, wie die russische Rüstungsindustrie unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft ihre Produktion über den Bedarf für den Ukraine-Krieg hinaus steigert. Die Ukraine beklagt derweil einen Mangel an Artilleriemunition, Flugabwehr und weitreichenden Waffen wie des deutschen Marschflugkörpers Taurus.
Auch in den Staaten der EU ist der Pessimismus gewachsen
Auch in wichtigen Staaten der EU wachsen Zweifel. Laut einer Studie der Denkfabrik «European Council on Foreign Relations» (ECFR) in zwölf Ländern gehen im Schnitt nur noch etwa zehn Prozent der Befragten von einem Sieg der Ukraine aus. Nach der vor dem zweiten Jahrestag der russischen Ukraine-Invasion veröffentlichten Untersuchung gehen die Befragten überwiegend davon aus, dass eine «Kompromisslösung» den Krieg beenden wird.
Der Ausgang des Ukraine-Krieges wird ganz überwiegend als folgenreicher für das eigene Land beurteilt im Vergleich zu den Folgen des Gaza-Kriegs. Und sollte Donald Trump wieder US-Präsident werden, meint eine Mehrheit der Befragten, sollte Europa seine Unterstützung für die Ukraine entweder beibehalten oder verstärken.