Wegen Trump: Bundesregierung stärkt Bande mit Bundesstaaten
Autor: dpa
, Mittwoch, 07. Februar 2024
Im November wählen die Amerikanerinnen und Amerikaner einen neuen - oder alten - Präsidenten. Deutschland bereitet sich auf alle Szenarien vor, sagt der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung.
Es wird eine ziemlich beschwerliche Anreise für Olaf Scholz zu seinem dritten Washington-Besuch als Bundeskanzler. Die einzige derzeit funktionstüchtige «Air Force One» der Bundeswehr-Flugbereitschaft vom Typ A350 ist derzeit mit dem Bundespräsidenten in der Mongolei unterwegs. Scholz wird am Donnerstag deswegen auf einen deutlich weniger komfortablen und leistungsschwächeren Airbus A321 umsteigen, der die 6700 Kilometer Luftlinie über den Atlantik nicht ohne Tankstopp im isländischen Reykjavik schafft.
Am Ende wird die Flugzeit des Kanzlers hin und zurück fast genauso lang sein wie sein Aufenthalt vor Ort. Rund 24 Stunden hat Scholz in der US-Hauptstadt. Der Höhepunkt kommt erst ganz zum Schluss am Freitagnachmittag: Für das Vier-Augen-Gespräch mit US-Präsident Joe Biden im Oval Office des Weißen Hauses in Washington ist eine Stunde angesetzt. Beim letzten Mal wurden daraus etwa 80 Minuten. Es wird vor allem um die weitere militärische Unterstützung der Ukraine gehen, den Nahost-Konflikt, aber auch um den Nato-Gipfel in Washington im Sommer.
Trump-Szenario wurde lange Zeit abmoderiert
Ein Thema steht nicht auf der offiziellen Agenda des Besuchs: Was ist, wenn Donald Trump dorthin zurückkehrt, wo Scholz am Freitag Biden trifft: ins Weiße Haus? Die Frage wird Scholz in Washington trotzdem auf Schritt und Tritt begleiten.
Lange Zeit wurde das Trump-Szenario seitens der Bundesregierung abmoderiert. Scholz ließ keine Gelegenheit aus, seine Hochachtung vor Biden kundzutun, der so etwas wie sein Lieblings-Staatschef ist. An der Fitness des 81-jährigen Präsidenten für eine zweite Amtszeit ließ er nie Zweifel.
Befürchtungen konzentrieren sich auf Sicherheitsaspekte
Spätestens mit Beginn der Vorwahlen zur US-Präsidentenwahl am 5. November ist die Stimmung in Berlin gekippt. Die Umfragen, die Trump als wahrscheinlichsten Herausforderer Bidens vorn sehen, lassen die Nervosität steigen. Die Warnungen vor einer neuen «Zeitenwende» im Fall eines Wahlsiegs des Republikaners kommen inzwischen nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus dem Regierungslager. «Europas Sicherheit wäre von einem Tag auf den anderen nicht mehr gewährleistet. Die Zukunft der freien und unabhängigen Ukraine wäre in höchster Gefahr», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Es gibt wirtschaftliche Aspekte, die Sorge bereiten. Trumps Dauer-Drohung mit Strafzöllen in seinem Kampf gegen den deutschen Exportüberschuss sind aus seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 noch in guter Erinnerung. Aber die größten Befürchtungen bestehen im Sicherheitsbereich. Kann Europa noch selbst für seine Sicherheit sorgen, wenn Trump plötzlich die US-Truppen oder die amerikanischen Atomwaffen aus Europa abzieht oder gleich die Nato insgesamt in Frage stellt? Und wo soll die militärische Unterstützung für die Ukraine herkommen, wenn Trump die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte aus den USA kappt?
Scholz: «Wir sind nur eine Mittelmacht»
Scholz beschäftigt sich derzeit vor allem mit letzterer Frage. Seine erste außenpolitische Handlung in diesem Jahr war ein eindringlicher Appell an die EU-Partner, militärisch mehr für die Ukraine zu tun. Nach den Berechnungen des Kanzleramts ist Deutschland nach den USA mit Abstand der zweitwichtigste Waffenlieferant der Ukraine und stellt derzeit mehr als die Hälfte der europäischen Beiträge. Die Vorstellung, Deutschland könnte bei einem Ausstieg der USA ziemlich einsam an vorderster Front der Militärhilfe stehen, ist Scholz nicht geheuer. «Es wäre keine gute Nachricht, wenn Deutschland, sollten die USA als Unterstützer wegfallen, am Ende der größte Unterstützer der Ukraine wäre», sagte er kürzlich in einem "Zeit"-Interview. «Wir sind, wie Helmut Schmidt gesagt hat, nur eine Mittelmacht.»