Druckartikel: Trumps Einfluss auf Europa: Von Ukraine-Krieg bis Wirtschaft - wofür steht er?

Trumps Einfluss auf Europa: Von Ukraine-Krieg bis Wirtschaft - wofür steht er?


Autor: Nadine Wüste, Agentur dpa

Welt, Donnerstag, 07. November 2024

Es ist kein Geheimnis, dass Kanzler Scholz und andere europäische Staats- und Regierungschefs bei der US-Wahl auf einen Sieg von Kamala Harris gehofft hatten. Wird es für Deutschland und die EU mit Trump nun richtig ungemütlich?
Donald Trump spricht bei einer Wahlparty im Palm Beach Convention Center am Mittwoch, 6. November 2024, in West Palm Beach, Florida.


Europa ist sich bewusst, wie stark Trump die transatlantischen Beziehungen verändern kann. Viele wollten dies lange nicht wahrhaben und hofften, dass die Demokratin Kamala Harris die Nachfolgerin von US-Präsident Joe Biden wird.

Nun müssen sie sich auf eine zweite Trump-Ära mit allen ihren Unsicherheiten einstellen. Wie gravierend es mit dem Rückkehrer ins Weiße Haus wird, kann niemand genau abschätzen.

Droht mit Trump ein Rückzug der USA aus der Nato? Konkrete Hinweise darauf gibt es nicht. Trump kritisierte im Wahlkampf allerdings erneut, dass einige europäische Alliierte die Bündnisziele bei den Verteidigungsausgaben verfehlen, und weckte Zweifel daran, ob die USA unter seiner Führung uneingeschränkt zur Beistandsverpflichtung stehen. Frühere Austrittsdrohungen wiederholte er jedoch nicht.

Innerhalb der Nato wird darauf hingewiesen, dass viele europäische Alliierte ihre Verteidigungsausgaben in den letzten Jahren erheblich gesteigert haben. Auch Deutschland hat inzwischen die zwei Prozent Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt erreicht, die Trump in seiner ersten Amtszeit nachdrücklich gefordert hatte.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte ließ nach Trumps Wahlsieg mitteilen: "Durch die Nato haben die USA 31 Freunde und Verbündete, die dazu beitragen, die Interessen der USA zu fördern, die amerikanische Macht zu vervielfachen und die Sicherheit der Amerikaner zu gewährleisten." Gemeinsam stellen die Bündnispartner die Hälfte der weltweiten wirtschaftlichen und militärischen Stärke dar. Die Zusammenarbeit in der Nato trägt dazu bei, Aggressionen abzuschrecken, die kollektive Sicherheit zu schützen und die Wirtschaft zu unterstützen.

Was bedeutet das für die Unterstützung der Ukraine? Besonders aus der Sicht der ost- und mitteleuropäischen Nato-Staaten ist dies die drängendste Frage. Trump behauptete im Wahlkampf mehrfach, den russischen Angriffskrieg innerhalb von 24 Stunden beenden zu können. In Brüssel besteht die Befürchtung, dass er die Ukraine durch einen Stopp der Militärhilfe zu Verhandlungen mit Russland zwingen könnte. In diesen könnte Kremlchef Wladimir Putin dann auch ein Verzicht auf eine weitere Nato-Osterweiterung angeboten werden. Aus Sicht der meisten europäischen Länder wäre ein solches Vorgehen eine ungeheuerliche und gefährliche Tabuverletzung. Putin könnte seinen Krieg als Erfolg werten und zu weiteren Aggressionen verleitet werden.

Ein Ausstieg der USA aus der Ukraine-Hilfe würde Deutschland als zweitgrößtem Waffenlieferanten eine wichtige Rolle zukommen lassen. Die Bundesregierung wäre jedoch kaum in der Lage, die entstandene Lücke zu schließen – selbst dann nicht, wenn sie eine Haushaltsnotlage erklärt und die Schuldenbremse erneut außer Kraft setzt.

Welche Auswirkungen hat die Wahl auf die Wirtschaftsbeziehungen? Trump hat im Wahlkampf angekündigt, neue Zölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent auf Importe in die USA erheben zu wollen - bei Produkten aus China sogar in Höhe von 60 Prozent. Damit will er den Produktionsstandort USA stärken und das Handelsdefizit reduzieren. Trump stört es, dass europäische Unternehmen deutlich mehr Waren in den USA verkaufen als umgekehrt US-amerikanische Unternehmen in der EU. 2023 waren die USA für Unternehmen aus der EU der wichtigste Exportmarkt.

Wie könnte die EU reagieren? In Brüssel nimmt man Trumps Aussagen zu den Zöllen sehr ernst. Im Falle seines Wahlsieges wurden bereits Vorbereitungen für einen neuen großen Handelskonflikt getroffen. Sollte Trump neue Zölle einführen, würde die EU wahrscheinlich mit Vergeltungszöllen auf US-Importe reagieren. Idealerweise wären diese so folgenreich für US-Hersteller, dass sie Trump an den Verhandlungstisch zwingen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Man sieht in Brüssel mit Sorge, dass hohe US-Zölle auf chinesische Waren dazu führen könnten, dass diese auf den europäischen Markt gelangen und dort den europäischen Herstellern das Leben schwer machen.

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, warnte Trump umgehend nach dessen Wahl vor Regelbrüchen und Alleingängen. "Die EU wird ihren Kurs im Einklang mit ihrer strategischen Agenda als starker, geeinter, wettbewerbsfähiger und souveräner Partner verfolgen und gleichzeitig das regelbasierte multilaterale System verteidigen", schrieb er zusammen mit seinen Glückwünschen an den Republikaner.

Welche Branchen könnten vom Handelskonflikt betroffen sein? Besonders die deutsche Automobilindustrie und ihre Zulieferer könnten erheblich betroffen sein. Für Hersteller wie Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz sind die USA zusammen mit China der wichtigste Absatzmarkt außerhalb der EU. Sonderzölle hätten wahrscheinlich erhebliche negative Auswirkungen. Der Konflikt um von Trump in seiner ersten Amtszeit eingeführte Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte könnte ebenfalls wieder eskalieren. Durch einen Deal mit Noch-Präsident Biden war dieser entschärft worden – dessen Laufzeit endet allerdings im März kommenden Jahres.

Auf wen kommt es nun in der EU an? Vor allem auf die beiden größten Volkswirtschaften der EU, also auf Scholz und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die beiden telefonierten bereits am Morgen nach der Wahl, um über die Folgen des Wahlergebnisses zu sprechen. "Man hat vereinbart, sich dazu eng miteinander zu koordinieren", hieß es anschließend von deutscher Seite. In den vergangenen drei Jahren haben die beiden es jedoch nicht geschafft, eine gemeinsame europapolitische Linie zu finden.

Die Vorstöße Macrons für mehr europäische Souveränität stießen schon bei der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf wenig Interesse. Bei Scholz war das bisher nicht anders. Dies könnte sich jetzt jedoch ändern. "Die Europäische Union muss eng zusammenstehen und geschlossen handeln", sagte Scholz in seiner ersten Reaktion auf die Trump-Wahl. Darauf wolle er als Kanzler hinarbeiten. Derzeit steht Scholz vor einem Ampel-Aus im eigenen Land - Finanzminister Christian Lindner wurde zudem entlassen. Die erste Bewährungsprobe steht in den kommenden beiden Tagen an, wenn die Staats- und Regierungschefs der EU in Budapest zusammenkommen.

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