Spaniens Regierung: Sánchez vor turbulenter Amtszeit
Autor: Emilio Rappold und Jan-Uwe Ronneburger, dpa
, Donnerstag, 16. November 2023
Pedro Sánchez wird seinem Ruf als politisches Stehaufmännchen gerecht. Knapp vier Monate nach der Parlamentswahl kommt es in Spanien zur Neuauflage der linken Regierung.
Der Sozialist Pedro Sánchez ist in Spanien für weitere vier Jahre im Amt des Ministerpräsidenten bestätigt worden - nach monatelangen Verhandlungen und einem heiklen Deal.
Das Unterhaus in Madrid stimmte knapp vier Monate nach der Neuwahl des Parlaments mit 179 zu 171 Stimmen für eine Fortsetzung der linken Regierung. Dass der 51-Jährige, der bereits seit Mitte 2018 regiert, dies nur durch Zugeständnisse und Versprechungen für zum Teil äußerst umstrittene Regionalparteien aus Katalonien, dem Baskenland und Galicien schaffte, lässt seinen Rivalen die Haare zu Berge stehen. Glaubt man der konservativen Opposition, dann hat in der viertgrößten Volkswirtschaft der EU eine «Diktatur» der Linken und der Separatisten begonnen.
Davon spricht die auch auf nationaler Ebene sehr einflussreiche Präsidentin der Hauptstadtregion Madrid, die konservative Hoffnungsträgerin Isabel Díaz Ayuso. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo, der wie Ayuso der Volkspartei PP angehört, unkte in der Debatte vor der Abstimmung über die Kandidatur von Sánchez, der Rechtsstaat, die Demokratie und die Einheit des Landes seien gefährdet. In die gleiche Kerbe schlug das renommierte Blatt «El Mundo». Es schrieb, Sánchez betreibe einen «Staatsstreich in Zeitlupe», weil er einen «Pakt mit Kriminellen» geschlossen habe.
Harter Tobak. Ist der gerechtfertigt? Was hat Sánchez gemacht? Er hat den beiden im Parlament vertretenen separatistischen Parteien Kataloniens, der linken ERC und der liberalen Junts, neben einem Schuldenerlass von 15 Milliarden Euro und weiteren Zugeständnissen auch eine Amnestie für alle nach Unabhängigkeit strebenden «Catalanistas» zugesichert, die zwischen 2012 und 2023 mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Das sind nach dem diese Woche im Parlament eingebrachten Gesetzentwurf mehr als 200 - darunter auch Carles Puigdemont, der als katalanischer Präsident den gescheiterten Abspaltungsversuch vom Herbst 2017 anführte. Seitdem lebt er - nach filmreifer Nacht-und-Nebel-Flucht - in Belgien im Exil. Zwischendurch wurde er auch mal kurzzeitig in Schleswig-Holstein festgenommen.
Bundeskanzler Olaf Scholz freute sich über den Erfolg von Sánchez. «¡Felicidades! (Glückwunsch)», schrieb der Sozialdemokrat auf der Plattform X. «Gut, dass wir weiter Seite an Seite arbeiten können. Denn auf viele Herausforderungen in der Welt schauen wir aus einem sehr ähnlichen Blickwinkel», fügte der Kanzler hinzu.
Große Demütigung für die Konservativen
Dass Puigdemont nach Inkrafttreten des Gesetzes als Triumphator nach Spanien zurückkehren könnte, empfinden die Konservativen, die Katalonien seinerzeit unter Zwangsverwaltung stellten, als riesige Demütigung. Sánchez versprach in der Parlamentsdebatte vier weitere Jahre des «Fortschritts und des friedlichen Zusammenlebens». Fortschritt vielleicht, aber Frieden kann Sánchez den circa 48 Millionen Bürgern nicht garantieren. Im Gegenteil. Spanien steht vor turbulenten Zeiten.
Schon für Samstag hat die PP zu einem neuen Protest gegen Amnestie und die linke Regierung in Madrid aufgerufen. «Man wird uns nicht zum Schweigen bringen», rief Feijóo zornig. Sein erklärtes Ziel: dass die Regierung aufgibt und es zu Neuwahlen kommt.