Skurril, aber wahr: Start-Up produziert Klamotten aus Menschenhaar
Autor: Melina Mark
Amsterdam, Dienstag, 15. November 2022
Pullis aus Haarabfällen für gesteigerte Nachhaltigkeit in der Kleidungsindustrie? Klingt irre, ist es auch - und es wird schon bald Realität. 2023 soll die erste Kollektion auf den Markt kommen.
Menschenhaar-Klamotten. Was erstmal wie ein Aprilscherz klingt, ist eigentlich ein Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit. Ein Start-up aus Amsterdam in den Niederlanden hat diese Idee umgesetzt.
Zsofia Kollar ist gebürtige Ungarin und Schöpferin der Firma Human Material Loop und des Garns aus Menschenhaar. Da die Kleidungsindustrie zu den weltweit größten Umweltverschmutzern gehört, wollte die Frau genau da ansetzen und habe sich eine Möglichkeit ausgedacht, klimaneutraler zu produzieren. "Als ich über Lösungen nachgedacht habe, habe ich mir buchstäblich ins Haar gefasst – und da hatte ich die Lösung", erklärte die Gründerin der Marke in einem Interview mit RTL.
Haarabfälle für mehr Nachhaltigkeit? Start-up verwirklicht Idee
Überall auf der ganzen Welt gibt es Haarabfälle - eine Quelle, die nicht verebbt, solange es Menschen gibt. Allein in Europa werden pro Jahr 72 Millionen Tonnen abgeschnittener Haare in den Müll geworfen. Mithilfe eines Spinnrads - wie es ebenso bei Baumwolle gemacht wird - stellte Kollar aus den Fasern ein Garn her.
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Die ersten Produkte - Pullover und Blazer - sollen bereits Ende 2023 zu kaufen sein. "Ich habe diese Firma gegründet, um ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt zu produzieren. Denn wenn wir diesen Planeten für künftige Generationen erhalten wollen, brauchen wir radikale Veränderungen", sagt Kollar. Sie selbst trage ihre Menschenhaar-Klamotten schon jetzt.
Fremde Haare können allerdings auch Ekel in den Menschen auslösen. Es gibt sogar einen Ausdruck für die Angst vor Haaren: Trichophobie. Und die ist verbreiteter, als manch einer annehmen würde. Aber auch dazu hat die Modeschöpferin einen Denkanstoß parat: "Denken Sie an Ihren flauschigen Pullover, denken Sie an die Produktionsschritte. Denken Sie daran, wie viel Blut und Tod aus Ihrem flauschigen Wollpullover gewaschen wurde, wie viele Chemikalien eingesetzt wurden, um diesen Pullover für Sie herzustellen. Wie sehr die Tiere gelitten haben. Das ist für mich eklig."
Soll noch besser werden: Team strebt nach Perfektion
Derzeit werkelt Kollar mit ihrem Team aus fünf Leuten aber noch an wichtigen Details. Der Durchmesser von Menschenhaar ist größer, als bei anderen Wollarten. Daher ist der Stoff ihr noch etwas zu kratzig. Damit Haar-Kleidung wettbewerbsfähiger wird, sollte sie also nicht nur klimaneutral, sondern auch flauschig sein und daran arbeitet sie unermüdlich.