Schicksalstage für die Ukraine: Wie kann Europa noch helfen?
Autor: Michael Fischer und Ansgar Haase, dpa
, Sonntag, 23. November 2025
US-Präsident Trump hat die Ukraine und die Europäer mit seinem neuen Friedensplan geschockt. Kann daraus trotzdem noch eine Chance für eine gerechte Beendigung des Krieges werden?
Der Ernst der Lage ist herauszuhören, als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Johannesburg beim G20-Gipfel vor die Kameras tritt. Kurz vorher hat er mit den europäischen Staats- und Regierungschefs über die Friedensinitiative von US-Präsident Donald Trump beraten. Über jenen Plan, der nicht nur den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sondern auch seine europäischen Verbündeten schockiert. Japan und Kanada reihen sich ein. Es sind quasi alle zusammengetrommelt, die die Ukraine in der entscheidenden Phase des Abwehrkampfes gegen Russland nicht im Stich lassen wollen.
Es geht darum, den für die Ukraine schlichtweg inakzeptablen Friedensplan vielleicht doch noch in die richtige Spur zu bringen. Und das unter massivem Zeitdruck. Bis Donnerstag will Trump ein Ergebnis. Sein Vorschlag sieht zum Beispiel vor, dass die Ukraine auch bislang noch verteidigte Gebiete an Russland abtritt, ihre militärischen Fähigkeiten beschränkt und die Nato einen Verzicht auf jegliche Erweiterung erklärt. Das käme einer Kapitulation gleich.
Erzwungene Kapitulation, diktierter Frieden?
Für die Europäer ist der Umgang mit dem amerikanischen Plan ein hochriskanter Drahtseilakt. Sie sehen das große Risiko, dass sich die Sicherheitslage für sie noch einmal verschlimmern könnte, sollten dem Aggressor Russland nun weitreichende Zugeständnisse gemacht werden.
Zugleich sind viele Staats- und Regierungschefs zu Hause mit kriegsmüden Wählerinnen und Wählern konfrontiert, die die kostspielige Unterstützung für die Ukraine mehr und mehr infrage stellen. Mittlerweile wurden von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten knapp 190 Milliarden Euro mobilisiert.
Kritisch wird auch gesehen, dass seit einer Lockerung von Reisebeschränkungen zahlreiche junge ukrainische Männer ihre Heimat in Richtung EU verlassen, um nicht zum Militärdienst eingezogen zu werden. Warum soll man das Land weiter unterstützen, wenn nicht einmal junge Ukrainer für die Zukunft ihres Landes kämpfen wollen, lautet die Frage.
Kaum Druckmittel gegen Trump
Problem für die Europäer ist, dass sie gegen US-Präsident Trump kaum Druckmittel in der Hand haben. Etliche Spitzenpolitiker haben in der Vergangenheit offen zugegeben, dass der Versuch, die Ukraine ohne die USA zu unterstützen, vermutlich aussichtslos wäre. Ganz einfach, weil dafür die notwendigen militärischen Fähigkeiten fehlten. So gelten zum Beispiel amerikanische Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot auf absehbare Zeit als unverzichtbar, um den ukrainischen Luftraum gegen ukrainische Drohnen und Raketenangriffe zu verteidigen. Ähnliches gilt für die US-Geheimdienstinformationen und weitreichende Raketenwerfer.
Hinzu kommt, dass der kostspielige und riskante Versuch, es doch zu versuchen, der Bevölkerung in etlichen Ländern vermutlich sehr schwer zu vermitteln wäre. Innerhalb der EU können weitreichende Pläne für mehr Unterstützung für die Ukraine schon heute nicht mehr durchgesetzt werden, weil sie eine einstimmige Zustimmung erfordern und Länder wie Ungarn und die Slowakei blockieren.