Neue Phase: Israels Panzer rollen im Gazastreifen - mit keinem Konflikt davor vergleichbar
Autor: Agentur dpa
860 Gaza, Sonntag, 29. Oktober 2023
Zuletzt waren israelische Bodentruppen 2014 im Gazastreifen. Mit Ausweitung des Kriegs gegen die Hamas betritt die Armee jetzt wieder Gaza-Boden. Doch der jetzige Krieg ist mit keinem der bisherigen Konflikte zu vergleichen.
Erstmals seit einem Jahrzehnt sind israelische Panzer wieder im Gazastreifen im Einsatz. Aktuelle Videos der Armee zeigen gepanzerte Fahrzeuge, die im Norden des Küstenstreifens über sandigen Boden rollen. Daneben laufen Soldaten in Schutzausrüstung mit großen Rucksäcken und Sturmgewehren.
Nach dreiwöchigen massiven Luftangriffen in dem dicht besiedelten Gebiet spricht Regierungschef Benjamin Netanjahu nun mit Ausweitung der Bodeneinsätze von der "zweiten Phase" des Kriegs. Ziel sei es, die militärischen Fähigkeiten der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen zu zerstören, ihre Herrschaft zu beenden sowie die mindestens 230 Geiseln zurück nach Hause zu bringen.
Hohe Motivation im Kampf gegen die Hamas
Nach dem schlimmsten Massaker in der Geschichte Israels, das die Hamas am 7. Oktober im Grenzgebiet angerichtet hatte, sind die Soldaten nach Angaben des Militärs "entschlossen und hochmotiviert". Generalstabschef Herzi Halevi sagte, man werde "niemals die Kinder vergessen, die ermordet wurden". Man nehme die Gräuelbilder "mit auf das Schlachtfeld".
Nach Ansicht eines israelischen Sicherheitsexperten steht der Armee ein langer, intensiver Konflikt bevor. "Es wird kein Blitzkrieg und kein Sechstagekrieg sein", sagt Amos Jadlin, ehemaliger Chef des israelischen Militärgeheimdienstes. Die Armee werde "Meter für Meter" vorangehen, um zivile Opfer zu verringern und "so viel wie möglich Hamas-Terroristen zu töten", sagte er.
Die meisten Gegner würden dabei in Tunnel oder die "unterirdische Stadt" der Hamas fliehen, erwartet Jadlin, ehemaliger Leiter des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv. "Die Herausforderung wird es sein, die Tunnel zu zerstören oder sie herauszubekommen, mithilfe der einen oder anderen Technik."
Geiselfrage sorgt für großen Druck
Die größte Einschränkung seien dabei die Geiseln, sagt Jadlin. Angesichts der hohen Opferzahlen unter der palästinensischen Bevölkerung wächst jedoch auch der Druck auf Israel, einer Waffenruhe zuzustimmen.
Jadlin denkt, dass auch der Hamas-Chef Jihia al-Sinwar unter Druck seiner eigenen Leute steht, "die sagen, wir sind zu weit gegangen, es ist an der Zeit zu stoppen". Sie drängten zu einem Gefangenenaustausch mit Israel, "sonst sieht Gaza bald aus wie Dresden (nach dem Zweiten Weltkrieg)". Sinwar behauptete am Samstag, die Palästinenserorganisation sei bereit, ein Abkommen über einen Gefangenenaustausch sofort abzuschließen.