Nahost-Konflikt eskaliert weiter: Tausende Verletzte im Libanon - durch explodierende Pager
Autor: Agentur dpa, Stefan Lutter
Beirut, Dienstag, 17. Sept. 2024
Plötzlich detonieren zahlreiche elektronische Kommunikationsgeräte, bekannt als Pager, gleichzeitig im Libanon. Ein Zusammenhang mit den Spannungen zwischen der Hisbollah und Israel scheint naheliegend.
Der Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz eskaliert weiter: Bei vermutlich koordinierten Explosionen hunderter tragbarer Funkempfänger wurden am Dienstag (17. September 2024) etwa 2750 Menschen im Libanon verletzt, neun Personen kamen ums Leben. Rund 200 der Verletzten befinden sich in einem kritischen Zustand, erklärte der geschäftsführende libanesische Gesundheitsminister Firas Abiad in Beirut.
Die Hisbollah beschuldigte Israel für die zeitgleichen Explosionen der sogenannten Pager und kündigte Vergeltung für die "sündige Aggression" an. Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Kämpfer sein, darunter auch Mitglieder der Elitetruppe Radwan. Zudem wurden hochrangige Hisbollah-Vertreter verletzt, wie eine der Miliz nahestehende Quelle bestätigte. Örtlichen Medien zufolge trugen auch zwei Leibwächter von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Verletzungen davon.
Hunderte zeitgleiche Explosionen: Hisbollah stieg aus Sicherheitsgründen von Mobiltelefonen auf Pager um
Es wird vermutet, dass Israel die Geräte als Angriff auf Hisbollah-Kämpfer gezielt zur Explosion gebracht haben könnte. Israels Armee kommentierte die Vorfälle zunächst nicht. Der israelische Kan-Sender berichtete, Militär und Verteidigungsministerium gingen davon aus, dass die Hisbollah mit einem Militäreinsatz gegen Israel reagieren werde. Es gab dazu am Abend Beratungen im Militärhauptquartier in Tel Aviv.
Video:
Pager sollen ein wichtiges Kommunikationsmittel für die Hisbollah sein. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Hisbollah habe die Pager erst kürzlich in einer Lieferung erhalten. Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf Hisbollah-Mitglieder, hunderte von ihnen hätten solche Geräte. Diese seien vermutlich mit Schadsoftware versehen gewesen, die zu einer Überhitzung und Explosion geführt habe. Experten glauben, dass es sich bei den Pagern um ein sehr wichtiges Kommunikationssystem für die Miliz handelte.
Die Hisbollah sei demnach aus Sicherheitsgründen von Mobiltelefonen auf Pager umgestiegen, weil bei diesen der Aufenthaltsort nicht ermittelt werden könne. Damit wären sie auch weniger anfällig für Überwachungsmaßnahmen oder Angriffe der elektronischen Kriegsführung.
Videos zeigen Explosionen in Supermärkten
Videos von Überwachungskameras im Libanon zeigten kleinere Explosionen in Supermärkten. Teils lagen Menschen danach am Boden. Fotos aus Krankenhäusern zeigten überfüllte Säle mit blutenden Patienten. Augenzeugen berichteten von Panik in den Straßen Beiruts. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz.
Das Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft und die Bürger zur Blutspende auf. Auch Irans Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, soll Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Pagers verletzt worden sein. Dieser habe einem Leibwächter gehört, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim. Die Hisbollah gilt als der wichtigste nicht-staatliche Verbündete der Islamischen Republik Iran.