Nach Massaker in Israel: «Alles zerbrochen»
Autor: Sara Lemel, dpa
, Montag, 06. November 2023
Ein Monat ist vergangen seit dem Massaker der Hamas im israelischen Grenzgebiet. Mehr als 240 Geiseln befinden sich in der Gewalt der Islamisten. Ihre Angehörigen kämpfen verzweifelt für ihre Freilassung.
           
Omri Schifroni ist mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern zu Besuch im Kibbuz Beeri am Rande des Gazastreifens, als die Hölle losbricht. «Wir wachten am frühen Morgen vom Geräusch lauter Explosionen auf», erinnert sich der 38-Jährige an das Massaker am 7. Oktober. «Es gab Raketenalarm und wir rannten in den Schutzraum.» Es sollte etwa zwölf Stunden in Angst und Schrecken dauern, bis sie gerettet werden und den Raum wieder verlassen können.
3000 Terroristen kommen überraschend über die Grenze
Einen Monat nach dem Massaker, einer tiefen Zäsur in der Geschichte der Region, sind noch nicht alle Opfer identifiziert. Was bisher bekannt ist: Nach Schätzungen kamen 3000 Terroristen der im Gazastreifen herrschenden Hamas sowie anderer extremistischer Gruppierungen in einem konzertierten Überraschungsangriff über die Grenze und töteten mehr als 1400 Menschen, die meisten davon Zivilisten. Mehr als 240 Menschen wurden in das Palästinensergebiet entführt. Rund 1000 Terroristen wurden in stundenlangen Kämpfen getötet, etwa 1800 konnten zurück in den Gazastreifen entkommen und rund 200 wurden festgenommen.
Der Kibbuz Beeri ist eine der am schwersten getroffenen Ortschaften. Etwa zehn Prozent seiner rund 1200 Einwohner wurden getötet oder in den Gazastreifen verschleppt. «Vier Verwandte von mir wurden ermordet - ein Onkel, eine Tante und zwölfjährige Zwillinge - und viele Freunde und Bekannte aus dem Kibbuz», erzählt Schifroni.
Schreckliche Stunden der Angst
Die Stunden im Versteck sind qualvoll. Sie sind vier Erwachsene und vier Kinder auf engem Raum. Sie verstecken die Kinder in einem Wandschrank. Gegen Mittag hört die Familie plötzlich, wie Terroristen in das Haus eindringen. «Sie schossen um sich, und zwei Kugeln durchschlugen die Tür des Schutzraumes», erzählt Schifroni. Er hat die Klinke außen an der Tür abmontiert und hält diese von innen zu. Nach etwa einer Stunde gehen die Angreifer wieder. Später erfährt der 38-Jährige, dass sie in einem Haus zwei Reihen weiter 30 bis 40 Kibbuzmitglieder versammelt und ermordet haben.
Eine der Geiseln in dem anderen Haus, die überlebt hat, ist Jasmin Porat. Sie war mit ihrem Lebensgefährten von einem ebenfalls angegriffenen Musikfestival entkommen und versteckte sich in Beeri in einem Haus bei Fremden. Sie habe bereits Abschiedsmitteilungen an ihre drei Kinder geschrieben, erzählt sie dem israelischen Fernsehen. «Ich habe mich im Schrank versteckt, meine Großeltern sind Holocaust-Überlebende, ich habe mich wie während der Schoah gefühlt.»
Mit Sturmgewehren bewaffnete Terroristen hätten sie aus dem Schutzraum gezerrt. Während stundenlanger Verhandlungen diente sie ihnen als «Kontaktperson» mit der Polizei und konnte am Ende gerettet werden. Sehr viele andere haben weniger Glück.
Videoaufnahmen von grausamen Verbrechen
In den Wochen seit dem Massaker wurden immer mehr Videoaufnahmen und Bilder mit erschreckenden Inhalten veröffentlicht. Darunter sind viele Aufzeichnungen von Bodycams der Terroristen. Besonders Sanitäter berichteten von vielen unfassbar grausam verstümmelten Leichen, die sie in den Ortschaften entlang des Gazastreifens vorfanden. Darunter sind auch kleine Kinder.