Druckartikel: Lage in Nahost eskaliert weiter: Israel kündigt Vergeltung nach großangelegtem Raketenangriff an

Lage in Nahost eskaliert weiter: Israel kündigt Vergeltung nach großangelegtem Raketenangriff an


Autor: Alexander Milesevic, Agentur dpa

Israel, Mittwoch, 02. Oktober 2024

Der Iran startet einen großen Raketenangriff auf Israel. Nun liegt das Heft des Handelns wieder beim israelischen Premier Netanjahu. Wird er den Iran direkt angreifen?
Dieses Videostandbild Geschosse, die über Jerusalem abgefangen werden. Der Iran hat einen Raketenangriff auf Israel gestartet.


Update vom 2.10.2024: Raketenangriff auf Israel - UN-Sicherheitsrat kommt zu Dringlichkeitssitzung zusammen

Nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Vergeltung angekündigt. "Der Iran hat heute Abend einen großen Fehler gemacht – und er wird dafür bezahlen", erklärte Netanjahu laut seinem Büro. Wann genau ein Vergeltungsschlag erfolgen könnte, blieb zunächst offen. Bereits in der Nacht zum Mittwoch (1./2. Oktober 2024) griff Israel erneut die libanesische Hauptstadt Beirut an, um gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz vorzugehen. Der Iran warnte Israel vor einem Vergeltungsschlag und drohte mit einer heftigen Gegenreaktion. Angesichts der zugespitzten Lage im Nahen Osten wird der UN-Sicherheitsrat am Mittwochnachmittag um 16 Uhr zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.

Der Iran hatte Israel am Dienstag mit etwa 180 Raketen angegriffen. Die meisten wurden laut israelischem Militär von Israel und einer von den USA geführten Verteidigungskoalition abgefangen. Ein Todesopfer gab es im Westjordanland, zwei Menschen in Tel Aviv wurden verletzt. Im Zentrum und Süden Israels wurden Einschläge registriert. Berichten zufolge hatte der Iran zwei israelische Luftwaffenstützpunkte und das Hauptquartier des israelischen Geheimdienstes Mossad im Visier. Millionen von Israelis suchten Zuflucht in Schutzräumen. Es war nach April der zweite Angriff Irans auf Israel in diesem Jahr.

Der Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, sagte, der Iran habe "eine schwerwiegende Tat" begangen, die den Nahen Osten in Richtung Eskalation treibe. "Wir werden zu dem Zeitpunkt und an dem Ort handeln, den wir bestimmen, und zwar in Übereinstimmung mit den Anweisungen der politischen Ebene. Diese Ereignisse werden Konsequenzen nach sich ziehen." Wie genau ein Vergeltungsschlag aussehen könnte, erklärte er nicht.

Mögliches Szenario für einen Vergeltungsschlag

Die New York Times berichtete unter Berufung auf US-Beamte, dass Israel in einem möglichen Szenario die iranischen Nuklearanlagen angreifen könnte. Besonders ins Visier genommen werden könnten die Anreicherungsanlagen in Natanz, dem Herzstück des iranischen Atomprogramms.

Hagari kündigte weitere Angriffe an. "Die Luftwaffe ist nach wie vor voll einsatzfähig und wird heute Abend im Nahen Osten weiterhin mit voller Kraft zuschlagen, so wie sie es im vergangenen Jahr getan hat", sagte er in der Nacht zum Mittwoch. Die iranischen Raketenangriffe haben die Einsatzfähigkeit der Luftwaffe nicht beeinträchtigt. Netanjahu bezeichnete den Angriff Irans als gescheitert.

Die Armee teilte am frühen Mittwochmorgen mit, sie würden "terroristische Ziele in Beirut" angreifen. Details nannte das Militär zunächst nicht. Es seien mindestens fünf israelische Angriffe auf südliche Vororte von Beirut ausgeführt worden, wie Medien unter Berufung auf eine libanesische Sicherheitsquelle berichteten.

Iran droht wiederum mit Reaktion auf möglichen Vergeltungsschlag

Der Iran drohte Israel mit einer stärkeren Reaktion, falls es zu einem Vergeltungsschlag komme. "In diesem Fall wird unsere Antwort stärker und kräftiger ausfallen", schrieb der iranische Außenminister Abbas Araghchi auf der Plattform X. "Unsere Aktion ist abgeschlossen, es sei denn, das israelische Regime beschließt, zu weiteren Vergeltungsmaßnahmen aufzurufen."

Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, die Attacke sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hieß es im Staatsfernsehen. Im Iran feierten Tausende Menschen den Raketenangriff auf Israel.

Grant Rumley, ein ehemaliger Pentagon-Beamter, sagte der New York Times, dass der Angriff am Dienstag weniger als symbolisch zu betrachten sei, da dieser nur wenige Stunden im Voraus angekündigt wurde. Bei dem Angriff im April war Israel tagelang vorgewarnt und konnte seine Verteidigung mit Verbündeten koordinieren. "Daher ist es schwer, diesen neuen Angriff als rein symbolisch zu betrachten", sagte Rumley. "Es sieht auf jeden Fall nach einer Eskalation durch den Iran aus."

US-Präsident Biden mahnt zur sorgfältigen Abwägung einer Reaktion

Das Heft des Handelns liegt nach Expertenmeinung nun bei Israel. Mohanad Hage Ali, stellvertretender Direktor des Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center, einem Forschungsinstitut in Beirut, sagte dem Wall Street Journal, dass Irans Angriff Israel einen Grund gebe, direkt auf iranisches Territorium zurückzuschlagen, was einen regionalen Krieg auslösen könnte.

Ähnlich schätzt Bilal Saab, ein ehemaliger Pentagon-Beamter und nun bei der Denkfabrik Trends Research and Advisory, die Lage ein. Er sagte: "Die Möglichkeit einer weiteren Eskalation dieses regionalen Konflikts hat mehr damit zu tun, was Israel will und weniger damit, was der Iran tut." Er fügte hinzu: "Israel sieht hier eine einmalige Gelegenheit, all seinen Gegnern zu schaden und ihnen möglicherweise einen tödlichen Schlag zu versetzen."

US-Präsident Joe Biden plädierte dafür, die Reaktion auf den iranischen Raketenangriff sorgfältig abzuwägen. Auf die Frage, wie Israel auf den Iran reagieren sollte, antwortete Biden im Weißen Haus in Washington: "Das ist momentan eine laufende Diskussion. Wir müssen uns alle Daten genau ansehen. Wir sind in ständigem Kontakt mit der israelischen Regierung und unseren Partnern, und das bleibt abzuwarten."

Bundesaußenministerin Baerbock verurteilt Angriff

Nach dem aktuellen Stand scheine der Angriff abgewehrt und unwirksam gewesen zu sein. Die USA stünden voll und ganz hinter Israel. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nannte den iranischen Raketenangriff einen "verabscheuungswürdigen Akt der Aggression". "Wir fordern den Iran auf, alle weiteren Angriffe einzustellen, auch von seinen Stellvertreter-Terroristengruppen", sagte er.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte den Angriff auf der Plattform X "auf das Allerschärfste". Sie schrieb weiter: "Wir haben Iran vor dieser gefährlichen Eskalation eindringlich gewarnt." Auch die EU verurteilte den Angriff. "Der gefährliche Kreislauf von Angriffen und Vergeltungsmaßnahmen droht, außer Kontrolle zu geraten", erklärte der Außenbeauftragte Josep Borrell auf X.

Der Élysée-Palast informierte nach einer Sitzung des Verteidigungs- und Sicherheitsrats, dass die französische Regierung ihre militärischen Kräfte im Nahen Osten mobilisiert habe, um die iranische Bedrohung abzuwehren. Laut Großbritanniens Verteidigungsminister John Healey beteiligte sich das britische Militär am Abend an Bemühungen, eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu verhindern.

Darum eskaliert die Lage immer weiter

Bereits im April hatten Irans Revolutionsgarden (IRGC) erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Damals feuerten die IRGC-Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind – als Reaktion auf die Tötung von Generälen bei einem mutmaßlichen Angriff Israels in Syrien. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt.

Israels Militär und Geheimdienste hatten Irans Verbündete in der Region zuletzt erheblich geschwächt. Ende Juli wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Daraufhin versprach Irans Staatsführung Vergeltung. Am Freitag wurde mit Hisbollah-Chef Nasrallah ein zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Pager Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und viele getötet. Es war bisher unklar, wie Irans militärische Führung darauf reagieren würde.

Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagerte sich damit der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung des nördlichen Nachbarlandes.

USA und Israel als Erzfeinde des Iran

Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr drohte mehrfach, dass sich der Schattenkonflikt zu einem Flächenbrand entwickeln könnte. Der Iran erkennt das Existenzrecht Israels nicht an und strebt dessen Zerstörung an. Er hat jahrelang paramilitärische Organisationen unterstützt, die sich als Teil seiner Achse des Widerstands gegen Israel verstehen. Irans Revolutionsgarden sind die Eliteeinheit des Landes und gelten als wesentlich schlagkräftiger als die reguläre Armee.

Ursprungsmeldung vom 01.10.2024: Iran startet großangelegten Raketenangriff auf Israel

Eskalation im Nahen Osten: Der Iran hat einen Raketenangriff auf Israel gestartet. Dies teilten die Streitkräfte auf der Online-Plattform X mit. Eine Korrespondentin der Deutschen Presse-Agentur berichtete, in Tel Aviv seien starke Explosionen zu hören. Auch die iranischen Nachrichtenagenturen Isna und Tasnim berichteten über den Beginn der Attacke.

Davor hatte die US-Regierung vor einem "unmittelbar bevorstehenden" Raketenangriff des Irans auf Israel gewarnt. Ein solcher direkter Angriff werde schwerwiegende Folgen für den Iran haben, heißt es in einer Mitteilung eines Regierungsvertreters, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Nach der Warnung vor dem Raketenangriff hatten die israelischen Behörden die Menschen im Großraum Tel Aviv angewiesen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.

Der iranische Angriff könne groß angelegt sein, warnte Armeesprecher Daniel Hagari. Die Luftabwehrsysteme seien vollständig vorbereitet und Flugzeuge der israelischen Luftwaffe patrouillierten am Himmel. Verteidigungsminister Joav Galant hatte am Abend mit Generalstabschef Herzi Halevi und hochrangigen Beamten über die Lage beraten.

Israel mit Raketen attackiert - Irans Verbündete sind geschwächt

Schon im April hatten Irans Revolutionsgarden (IRGC) zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Dabei feuerten die IRGC-Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt. Der Iran reagierte damit auf die Tötung hochrangiger Generäle, die bei einem mutmaßlich israelischen Angriff in Syrien getötet worden waren.

Israels Militär und Geheimdienste hatten zuletzt Irans Verbündete in der Region erheblich geschwächt. Ende Juli etwa wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Irans Staatsführung schwor daraufhin Rache. Am vergangenen Freitag wurde mit Hassan Nasrallah, Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, ein weiterer und zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Funkempfänger, sogenannte Pager, Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Es war seither unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagiert.

Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagert sich damit der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung des nördlichen Nachbarlandes. Die Armee sprach von "begrenzten" Angriffen in Grenznähe auf Ziele der schiitischen Hisbollah, die eng mit dem Iran verbündet ist.

USA und Israel als Erzfeinde des Iran

Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr drohte mehrfach, dass sich der Schattenkonflikt zu einem Flächenbrand entwickelt. Irans Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Landes und gelten als deutlich schlagkräftiger als die reguläre Armee.

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