Durchbruch bei EU-Asylreform - Verschärfungen geplant
Autor: dpa
, Mittwoch, 20. Dezember 2023
Seit Jahren ist die Begrenzung der irregulären Migration das große Streitthema in Brüssel. Um eine Reform des Asylsystems wurde heftig gerungen - nun steht ein Kompromiss. Worauf wurde sich verständigt?
Die EU kann nach jahrelangen Verhandlungen eine große Asylreform in Angriff nehmen. Eine am Mittwoch in Brüssel erzielte Einigung sieht zahlreiche Verschärfungen der bisherigen Regeln vor. «Damit begrenzen wir die irreguläre Migration und entlasten die Staaten, die besonders stark betroffen sind - auch Deutschland», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Menschenrechtsorganisationen übten hingegen scharfe Kritik.
Konkret sieht die Verständigung zwischen EU-Staaten und Europaparlament beispielsweise einheitliche Verfahren an den europäischen Außengrenzen vor. Geplant ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Bis zur Entscheidung über den Asylantrag sollen die Menschen bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden können. Personen die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent kommen sowie Menschen, die als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten, müssen künftig verpflichtend in ein solches Grenzverfahren.
An der Reform wurde seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 gearbeitet. Damals waren Länder wie Griechenland mit der immensen Zahl an Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert und Hunderttausende konnten unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen.
Geld gegen Flüchtlinge
Die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Staaten wird den Plänen zufolge mit einem «Solidaritätsmechanismus» neu geregelt: Wenn die Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten, etwa in Form von Geldzahlungen. Das war besonders in den Verhandlungen der EU-Staaten untereinander lange ein Zankapfel, da Länder wie Ungarn eine Solidaritätspflicht ablehnten. Die EU-Staaten konnten sich allerdings im Juni auch ohne die Zustimmung Ungarns auf eine gemeinsame Position einigen.
Kritik an den Plänen gibt es unter anderem, weil auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Familien mit Kindern in die streng kontrollierten Auffanglager kommen könnten. Die Bundesregierung und das Europaparlament hatten versucht, dies zu verhindern, scheiterten in den Schlussverhandlungen allerdings am Widerstand von Ländern wie Italien.
Die Grüne Jugend forderte deswegen: «Die deutsche Zustimmung zu dieser Reform, die eine massive Entrechtung von Geflüchteten bedeutet, muss sofort zurückgenommen werden.» Außenministerin Annalena Baerbock schloss dies jedoch indirekt aus. Die grüne Spitzenpolitikerin bezeichnete die Einigung auf die Reform als «dringend notwendig und längst überfällig». Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen dem Deal noch endgültig zustimmen. Das gilt normalerweise als Formsache.
Sorge um Menschenrechte an den Außengrenzen
Neben dem Kinder- und Jugendschutz sorgte die geplante Krisenverordnung für Kritik. Darüber soll künftig etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration von Standard-Asylverfahren abgewichen werden können. Zum Beispiel kann der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt. Wegen Bedenken der Bundesregierung hinsichtlich menschenrechtlicher Standards ging bei diesem Teil der Reform lange nichts voran.