Gaza statt Wunstorf: Die Luftwaffe im Hilfseinsatz
Autor: Sven Käuler (Amman) und Martina Herzog (Köln), dpa
, Dienstag, 05. August 2025
Die Hilfsflüge aus der Luft für den Gazastreifen sind umstritten. Teuer, gefährlich, ineffizient, kritisieren Hilfsorganisationen. Wie ein Flug abläuft - und was deutsche Soldaten dabei erleben.
Die Luke des Transport-Airbus 400M öffnet sich drei Minuten vor dem Abwurf, der Blick fällt erst auf das Meer, wenig später auf den Gazastreifen 600 Meter darunter. Gleißende Sonne fällt auf Trümmer, so weit das Auge reicht. Von hier oben nicht zu erkennen: Die Menschen dort unten, die von einer Hungersnot bedroht sind. Ihnen gilt die Ladung, die nun aus dem Flugzeug an Fallschirmen zu Boden gleitet.
«Fühlt sich immer sehr positiv an»
«Für mich fühlt sich das immer sehr positiv an, weil ich weiß, dass wir Leuten damit helfen», sagt der Pilot einer der Bundeswehr-Maschinen, Stabshauptmann Dieter, den Nachnamen lässt er weg. Seit Freitag macht die Bundeswehr solche Abwürfe mit ihren Transportmaschinen, die normalerweise im niedersächsischen Wunstorf stationiert sind. Nun lässt sie sich dabei von Journalisten über die Schulter schauen. Ein dpa-Reporter ist mit an Bord.
Wie viele der Güter aus dem Flugzeug auf dem Boden bei denen landen, für die sie gedacht sind, weiß niemand. Aus deutschen Sicherheitskreisen hieß es am Wochenende, 50 bis 100 Prozent der Güter würden die Hamas oder andere kriminelle Organisationen abzweigen - das gilt aber für Hilfslieferungen insgesamt.
«Wie Pflaster auf offene Wunden»
Hilfsorganisationen sehen das Ganze skeptisch, wenn auch besser als nichts. «Luftabwürfe wirken in dieser Lage wie Pflaster auf offene Wunden: teuer, riskant und kaum steuerbar», sagt der Vertreter des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Deutschland, Österreich und Liechtenstein, Martin Frick, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «In überfüllten humanitären Zonen ist eine geordnete Verteilung mit Hilfsgütern, die aus der Luft kommen, kaum möglich – das Verletzungsrisiko ist hoch, die Kosten sind 34-mal höher als bei Landtransporten.»
Pilot Dieter sieht solche Gefahren nicht, «weil unsere Drop-Zone breit genug ist». Selbst wenn der Schirm abreiße, falle die Ladung dort auf den Boden, wo niemand stehe. «Wir suchen unsere Drop-Zonen ganz genau heraus.»
Reis, Mehl, Zucker, Nudeln, Konserven
Zwei deutsche Maschinen mit jeweils 22 Paletten - jede mit ungefähr 500 Kilogramm Gewicht - haben von einer jordanischen King Abdullah II Air Base gemeinsam Kurs auf den Gazastreifen genommen. Jede Bundeswehr-Maschine wirft pro Flug elf bis zwölf Tonnen an Gütern ab. Seit Freitag sind es laut Bundeswehr inzwischen knapp 75 Tonnen insgesamt.