Standpauke am Amazonas: UN-Chef verkündet «bittere Wahrheit»
Autor: Larissa Schwedes, Torsten Holtz und Christiane Oelrich, dpa
, Donnerstag, 06. November 2025
Zu wenig, zu spät: Die meisten Staaten haben in Sachen Klimaschutz ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Nun heißt es: Nachsitzen in Brasilien. Der Klimagipfel beginnt mit düsteren Prognosen.
Zehn Jahre nach dem historischen Pariser Klimaabkommen hat UN-Chef António Guterres den Staats- und Regierungschefs aus aller Welt ins Gewissen geredet und eine radikale Kurskorrektur im Kampf gegen die Erderwärmung gefordert. «Die bittere Wahrheit ist, dass wir es nicht geschafft haben, unter 1,5 Grad zu bleiben», sagte der UN-Generalsekretär bei einem Gipfel in Belém am Rande des Amazonas-Regenwaldes. Vor dem offiziellen Start der 30. Weltklimakonferenz kommende Woche hatte Brasilien zu dem Krisentreffen eingeladen.
Guterres prangert «moralisches Versagen» an
Guterres verwies auf wissenschaftliche Erkenntnisse, dass die im Pariser Klimaabkommen angestrebte 1,5-Grad-Grenze spätestens zu Beginn der 2030er Jahre befristet überschritten wird – mit fatalen Folgen. Jedes Zehntelgrad bedeute mehr Hunger, mehr Vertreibung und mehr Leid. Zurzeit sei der Kampf gegen die Klimakrise unzureichend. Die Welt steuere auf eine Erwärmung von weit über zwei Grad zu und der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase steige weiter. «Das ist moralisches Versagen – und tödliche Fahrlässigkeit.»
Der UN-Chef rief zu einem schnellen Kurswechsel auf. So dürften keine neuen Kohlekraftwerke und Öl- und Gasprojekte mehr genehmigt werden. Auch forderte Guterres, bis 2030 die weltweite Entwaldung komplett zu stoppen.
Eine «COP der Wahrheit» an symbolischem Ort
Der Gastgeber, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, mahnte: «Die COP30 wird die COP der Wahrheit sein.» Ein Klimagipfel im Amazonasgebiet – es gebe «kein größeres Symbol für die Sache der Umwelt» als den Regenwald mit seinen Tausenden Arten und Pflanzen.
Für den Schutz dieses und anderer Tropenwälder in mehr als 70 Staaten will Brasilien viel Geld sammeln: Lula gab in Belém den offiziellen Startschuss für einen neuen milliardenschweren Geldtopf. Jährlich könnte der Fonds «Tropenwälder für immer» (TFFF) nach einiger Anlaufzeit rund vier Milliarden US-Dollar ausschütten.
Konkret heißt das: Staaten, die wertvollen Tropenwald erhalten, bekommen dem Konzept zufolge aus dem Fonds pro Jahr und Hektar eine Prämie von 4 US-Dollar. Für jeden zerstörten Hektar sollen sie aber umgekehrt 140 Dollar (122 Euro) Strafe zahlen. Überprüft würde dies mit Satellitenbildern.
Nach den Vorstellungen Brasiliens sollen reiche Staaten freiwillig anfänglich 25 Milliarden US-Dollar einzahlen. Mit diesem Grundstock sollen dann in den nächsten Jahren weitere 100 Milliarden US-Dollar aus dem Privatsektor mobilisiert werden. Norwegen sagte am späten Nachmittag eine Einzahlung von drei Milliarden US-Dollar über zehn Jahre zu. Als potenzieller Geber wird in dem Konzept auch Deutschland genannt.