Brasilien startet Klimagipfel mit Elan - Bilanz hat Kratzer
Autor: Torsten Holtz und Philipp Znidar, dpa
, Sonntag, 09. November 2025
Neue Schnellstraße durch den Regenwald, Ölbohrungen am Amazonas, Kreuzfahrtschiffe als Hotels im Hafen: Wie glaubwürdig ist Brasilien beim Heimspiel auf der COP30?
Im zähen Kampf gegen die Klimakrise rühmt sich Brasilien als Vorkämpfer. Als Gastgeber der Weltklimakonferenz will Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den rund 200 Staaten ehrgeizige Beschlüsse abverlangen. Doch passt dazu der Bau einer neuen Schnellstraße durch den Regenwald zur Millionenstadt Belém? Und neue Öl-Bohrungen in der Amazonasmündung, die noch kurz vor der prestigeträchtigen Mammutkonferenz genehmigt wurden?
Klimaschützer äußerten sich im März empört über die breite Schneise für die Straße, der wertvolle Bäume zum Opfer fielen. Die Regionalregierung betont aber, Planung und Bau liefen schon seit Jahren und hätten mit der COP30 nichts zu tun.
Klimaschützer rügen Öl-Lizenz als Sabotageakt
Die umstrittenen Ölbohrungen des Petrobas-Konzerns verurteilte das Klimanetzwerk Observatório do clima als «Sabotageakt» gegen die Klimakonferenz. Damit werde die von Lula beanspruchte Führungsrolle im Klimaschutz untergraben. Klagen von Umweltschützern laufen – doch ebenso die Bohrungen.
Und wie passt es zum auf Umweltschutz getrimmten Konzept, dass nun wochenlang zwei extra gecharterte Kreuzfahrtschiffe vor Belém ankern, um den riesigen Bedarf an Hotelbetten zu decken? Die unkonventionelle Lösung musste her, weil die Stadt logistisch gesehen am Limit ist: Für die zwei Wochen reisen etwa 50.000 Diplomaten, Journalisten und Aktivisten an.
Für die COP gesäubert und ausgebessert
In der wuseligen, schwülen Großstadt mit ihren bröckelnden Gehwegen und Gebäuden, verstopften Straßen und plärrenden Lautsprechern der vielen Straßenhändler wurde ganz offensichtlich einiges investiert, um zur COP30 optisch wenigstens punktuell zu glänzen: Etliche Plätze, Parks und auch Klärwerke wurden gesäubert und ausgebessert, die Bepflanzung auf Vordermann gebracht. Allein aus brasilianischen Bundesmitteln flossen dafür umgerechnet rund 650 Millionen Euro nach Belém, eine auch nach brasilianischen Maßstäben eher arme Stadt mit viel indigener Bevölkerung.
Was will Gastgeber Brasilien erreichen mit seiner symbolisch aufgeladenen COP30 am Rand des Regenwalds, genau zehn Jahre nach dem umjubelten Pariser Klimaabkommen? Präsident Lula spricht von einer «COP der Wahrheit». Klimakonferenzen hätten seither viel beschlossen, aber die Staaten viel zu wenig geliefert. Sie hätten nun Gelegenheit, «die Ernsthaftigkeit ihres Engagements für den Planeten unter Beweis zu stellen».
Konkret will Brasilien unter anderem zwei Vorhaben pushen: Schon auf einem vorgeschalteten Gipfel wurde ein neuer, milliardenschwerer Fonds zum Schutz tropischer Wälder in mehr als 70 Staaten angeschoben. Zum anderen will Lula mehr Mittel mobilisieren, um ärmeren Staaten die Anpassung an die fatalen Folgen der Erderhitzung zu erleichtern – also etwa heftigere und häufigere Dürren, Überschwemmungen, Stürme und Waldbrände. Der Bedarf ist gigantisch. Der neue UN-Report zur «Anpassungslücke» zeigt, dass Entwicklungsländer bis 2035 jährlich mindestens 310 Milliarden US-Dollar (268 Milliarden Euro) brauchen, um sich an die Erderwärmung anzupassen – das Zwölffache der derzeitigen internationalen öffentlichen Finanzmittel.