Bitterer Winter für die Ukraine: Durchbruch in weiter Ferne
Autor: Carsten Hoffmann und Andreas Stein, dpa
, Sonntag, 03. Dezember 2023
Die Ukraine ist unter Druck, in ihrer Führung tun sich Risse auf. Das kann bittere Konsequenzen haben.
Der ukrainische Versuch einer Gegenoffensive bis weit in das von Russland besetzte Gebiet ist vorerst gescheitert. Ein militärisch wichtiger Durchbruch zum Asowschen Meer - quer durch den von Kreml-Truppen eroberten Landkorridor zur Halbinsel Krim - scheint in weiter Ferne.
Gut 21 Monate nach dem russischen Einmarsch machen sich Ratlosigkeit und Nervosität in Kiew breit, während westliche Hilfe nachlässt. Der Ukraine fehlt es an Waffen, Munition, Geld und in absehbarer Zeit auch an Soldaten.
Geht die erklärte Strategie des Westens, die Ukraine zur Verteidigung und Rückeroberung ihrer Gebiete zu befähigen, mindestens aber aus einer Position der Stärke mit Russland verhandeln zu lassen, noch auf? «Wir müssen auf die Langstrecke vorbereitet sein», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg jüngst in Berlin.
Der Verlauf des Krieges sei nicht vorhersehbar, doch seien «Geschehnisse rund um einen Verhandlungstisch untrennbar verbunden mit der Situation auf dem Gefechtsfeld». Der russische Präsident Wladimir Putin müsse erkennen, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen könne.
Eine Patt-Situation?
Von einer empfindlichen Niederlage ist Putin - nach der militärischen Schmach in den ersten Monaten seines Angriffskriegs - aber entfernt. Nach den Vorjahreserfolgen bei Kiew, Charkiw und Cherson hatte Kiews Oberkommandierender Walerij Saluschnyj vor einem Jahr im britischen «Economist» gesagt: «Ich brauche 300 Panzer, 600 bis 700 Schützenpanzer, 500 Haubitzen. Dann ist es komplett realistisch, zu den Linien vom 23. Februar zurückzukommen.»
Anfang des Monats sagte er nun der Zeitschrift: «Es wird höchstwahrscheinlich keinen tiefen und schönen Durchbruch geben». Von einem Patt in einem Stellungskrieg, ähnlich wie im Ersten Weltkrieg, ist nun die Rede.
Der ukrainische Vorstoß blieb in den dichten Minenfeldern und im Feuer der russischen Artillerie stecken. Zwar meldete Saluschnyj pünktlich zum ukrainischen Unabhängigkeitstag am 24. August noch die Rückeroberung des Dorfes Robotyne im Süden. Seitdem gab es dort jedoch kaum noch Bewegung und die für den Vormarsch wichtige Stadt Tokmak liegt immer noch gut 20 Kilometer entfernt in russischer Hand.