Druckartikel: Bald bestimmende Militärmacht in Zentraleuropa? Polen bereitet sich auf den Krieg vor

Bald bestimmende Militärmacht in Zentraleuropa? Polen bereitet sich auf den Krieg vor


Autor: Melina Mark

Polen, Mittwoch, 14. Dezember 2022

Die polnische Regierung hat sich hohe Ziele in Hinsicht auf ihre militärische Stärke gesetzt. Die Anzahl ihrer Streitkräfte soll sich mehr als verdoppeln und ihr Waffen-Arsenal stark wachsen. Um den Frieden zu sichern, bereitet sich das Land auf Krieg vor.
Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak spricht bei der Übergabe koreanischer K9-Kanonenhaubitzen an die Soldaten der polnischen Armee auf dem Stützpunkt des 11. masurischen Artillerieregiments in Wegorzewo, Nordpolen.


Bisher ist Deutschland die bestimmende Militärmacht in Zentraleuropa, doch das könnte bald anders aussehen. Denn: Polen rüstet auf. Südkorea hat jüngst den vielleicht größten Rüstungsdeal ihrer Geschichte abgeschlossen. Zehn neue Panzer und 24 Haubitzen sind kürzlich nach Polen geliefert worden und das soll erst der Anfang sein.

"Die Polen rufen militärisch ihr Leistungspotenzial gerade ab, während wir Deutschen es reduzieren", sagt Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu t-online. Die polnische Regierung wird von der nationalistischen PiS-Partei geführt, die eine schnelle Aufrüstung als notwendige Schutzmaßnahme gegen Russland ansieht.

Wird Polen Deutschland im Nato-Ranking ausstechen?

"Wir wollen Frieden, also bereiten wir uns auf den Krieg vor", erklärt der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak. Die Modernisierung des Militärs läuft daher auf Hochtouren. Zum momentanen Zeitpunkt (Stand Dezember 2022) stehen Polen, der Nato zufolge, 123.000 Soldat*innen zur Verfügung. Die deutsche Bundeswehr kann 189.000 Mann mobilisieren.

Bisher steht Deutschland auf Platz 3 der Nato-Länder mit der größten Streitkraft. Platzt 1 belegt die USA mit 1,3 Millionen Soldat*innen und den zweiten Platz die Türkei mit 447.000 Mann. Polen hat es sich als Ziel gesetzt, Deutschland vom dritten Platz zu verscheuchen. Bis 2035 soll die polnische Armee aus 300.000 Soldat*innen bestehen. In Warschau gibt es daher seit April 2022 die Möglichkeit, die Grundausbildung in 28 Tagen und anschließend eine elfmonatige Fachausbildung zu absolvieren.

Die Nato hat festgesetzt, dass mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Mitgliedsstaaten in die landeseigene Verteidigung fließen sollen. Während Deutschland sich bei dessen Erreichung wahnsinnig schwertut, steckt Polen die Erwartungen an sich selbst um einiges höher. Ganze drei Prozent sollen laut polnischer Regierung in die Verteidigung fließen. Auf längere Sicht sollen 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dafür aufgewendet werden.

Schwere Waffen: Diese Menge erwartet Polen

Nicht nur Südkorea soll Polen mit Waffen beliefern, sondern auch die USA und die Türkei. In den kommenden Jahren soll das Land Dutzende Kampfjets, 1300 Panzer und 600 Haubitzen bekommen. 24 Kampfdrohnen aus der Türkei oder 20 Himars-Mehrfachraketenwerfer stehen ebenfalls auf dem Anschaffungsplan. Im Gespräch sind noch weitaus mehr Waffen, als nur die eben genannten.

Die Waffenlieferungen sollen zum Teil leere Bestände aus Sowiet-Zeiten auffüllen. Etwa 250 der amerikanischen Abrams-Panzer sollen zu diesem Zweck hergenommen werden.

"Diese Aufrüstung ist auch ein Misstrauensvotum gegen Deutschland", sagt Rüstungsexperte Christian Mölling. Schon bevor es zu einem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gekommen war, habe Polen auch Deutschland Waffen abkaufen wollen. Ein entsprechendes Angebot sei allerdings nie erstellt worden. Zum Spiegel sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki: "Berlins Zögern, die Untätigkeit, stellt den Wert des Bündnisses mit Deutschland ernsthaft infrage. Und das sagen nicht nur wir".

Polen vs. Deutschland: Welches Land hat die größere militärische Relevanz?

"Polen ist zu unserem wichtigsten Partner in Kontinentaleuropa geworden", zitierte das Nachrichtenportal Politico einen US-Vertreter. Denn auch die USA sehen Polen als den verlässlicheren Partner in Sachen Militär. Auch Experte Mölling bestätigt das: "Politisch gibt es durchaus eine Tendenz zu Polen. Die Frage ist, ob Polen politisch kooperationsfähig ist."

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Die PiS-Regierung wird von einigen Seiten beschuldigt, den polnischen Rechtsstaat anzugreifen und Justiz und Medien über ein gesundes Maß hinaus hin zu kontrollieren. Seit Monaten versperrt beispielsweise die EU Coronahilfen in Milliardenhöhe, weil Brüssel schwerwiegende Mängel im polnischen Justizsystem sieht.

Ob Polen aber dauerhaft wichtiger für die USA als Deutschland wird, halten sowohl Lang als auch Christian Mölling für unwahrscheinlich. Zudem ist nicht sicher, ob die polnische Regierung ihre selbstgesetzten Ziele auch erreichen und Deutschland im Nato-Ranking ausstechen wird.

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