"Das geht zu weit!": Richard David Prechts Weltverständnis stößt bei "Maybrit Illner" auf heftige Reaktionen
Autor: Doris Neubauer
, Freitag, 19. Dezember 2025
Während in Brüssel intensiv um eine Entscheidung hinsichtlich des in Europa eingefrorenen russischen Vermögens und der weiteren Finanzierung der Ukraine gerungen wurde, wurde auch bei "Maybrit Illner" hitzig über das Thema diskutiert: Dabei eckte Schriftsteller und Philosoph Richard David Precht mit seiner Sichtweise deutlich an.
"Entweder heute Geld oder morgen Blut", so dramatisch hatte Polens Regierungschef Donald Tusk für die Nutzung des in Europa eingefrorenen russischen Vermögens geworben. Und auch Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich einen Tag vor dem EU-Gipfel in Brüssel erneut dafür starkgemacht. Zwar haben sich die Staats- und Regierungschefs in der Nacht auf eine Kredit-basierte Finanzierung der Ukraine geeinigt. Aber "am Ende wird es so kommen", stand für CDU-Außenpolitiker Armin Laschet bei "Maybrit Illner" schon vorab fest.
Es sei nicht entscheidend, welcher Weg gewählt werde, lenkte Lascheit ein: "Wenn wir heute Nacht sagen: Die Ukraine ist für die nächsten zwei Jahre finanziert, wird das am Ende Putin beeindrucken", prophezeite er. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen seiner Ansicht nach das Risiko eingehen, denn dass der russische Präsident reagieren und diese Entscheidung Konsequenzen haben werde, wollte er nicht verschleiern.
Precht unterstellt Kanzler Merz Wunschdenken
"Ich würde mir in dieser Situation lieber Armin Laschet als Kanzler wünschen", punktete dessen Realismus beim Schriftsteller und Philosophen Richard David Precht. "Das geht zu weit!", lachte Moderatorin Illner auf, die die illustre Runde zum Thema "Land verlieren, Partner behalten - welche Wahl hat die Ukraine noch?" eingeladen hatte. "Doch", rechtfertigte sich der Schriftsteller. Merz sei in der Ukraine-Frage "der Mensch, der langsamer lernt als sein Schatten". Dass der Krieg beendet werde, indem man die Ukraine noch einige Jahre länger finanziert, sei "wishful thinking". Dabei müsse längst begriffen worden sein: "Putin unter Druck setzen ist wie Al Capone einen Drohbrief schreiben - es führt zu einer Trotzreaktion."
Überhaupt komme die Entscheidung, das russischen Vermögen zu nutzen, dem deutschen Steuerzahler teuer: "Es gibt über 100 Milliarden Vermögenswerte der deutschen Wirtschaft, die in Russland geparkt sind, die sind am nächsten Tag nach dieser Entscheidung futsch", unkte er, zudem stünden "Reparationszahlungen in der Höhe von 200 Milliarden Euro an, die keiner hat. Wir ruinieren unsere Volkswirtschaft mit dieser Entscheidung."
"Mit 200 Milliarden zum Glück noch nicht", ging auch dieses Weltverständnis für die Moderatorin etwas zu weit. "Wir haben schon eine Billion Verschuldung gemacht. 200 Milliarden erschrecken mich nicht", zeigte sich auch SPD-Politiker Sigmar Gabriel unbeeindruckt. Teurer würde, wenn Russland diesen Krieg gewinne und den nächsten Konflikt anzetten würde. "Wenn Europa zeigt, es ist gespalten, dann sind wir die letzten Vegetarier in der Welt der Fleischfresser und dann werden wir auch gefressen", kenne er keine Alternative zur finanziellen Unterstützung der Ukraine.
Politikwissenschaftlerin Liana Fix: "Trump will den Frieden mehr als Putin"
"Die Alternative besteht darin, dass wir Putin ernsthaft anbieten, über eine Nachkriegsarchitektur zu sprechen unter Berücksichtigung der russischen Sicherheitsinteressen", widersprach Precht und bezichtigte Europa, bislang keine "diplomatische Großoffensive" gestartet zu haben. Genau das hätte man bisher "verbockt": Europa hätte den 28-Punkte-Plan auf 20 Punkte reduziert und keine Initative gezeigt, mit Russland zu verhandeln - erklärte er, und erntete Protest von allen Seiten.
"Stimmt nicht, Herr Precht", kam der lauteste Widerspruch von Politikwissenschaftlerin Liana Fix, "wenn man Ihnen zuhört hat man den Eindruck, dass ein Gorbatschow im Kreml sitzt, nicht ein Putin." Sie verwies auch darauf, dass die aktuelle US-Administration die "russlandfreundlichste seit der Existenz der USA" sei und Putin die blühenden Landschaften verspreche: "Trump will den Frieden mehr als Putin", meinte sie, "und selbst Trump läuft gegen die Wand bei Putin".