ZDF-Reporter legt am VW-Standort den Finger in die Wunde: "Manche sagen, man verdient zu gut"
Autor: teleschau - Jens Szameit
, Donnerstag, 01. Mai 2025
"Die Autokrise - War's das mit Wohlstand?", fragt eine neue ZDF-Doku aus der Rehe "Am Puls". An den VW-Standorten Zwickau und Wolfsburg, aber auch bei einer Recherche in China wird deutlich, was die Stunde geschlagen hat. Der Tenor: "Es geht einfach um alles gerade."
Der Tag der Arbeit ist der Sendeplatz der neuen "Am Puls"-Doku von und mit ZDF-Wirtschaftsjournalist Florian Neuhann. Das passt auf fatale Weise. Denn es geht um "die Autokrise" im Land. Und die könnte die deutsche Arbeitswelt in den kommenden Jahren förmlich aus den Angeln heben.
Im Jahr 2024 arbeiteten 744.000 Menschen in der deutschen Autoindustrie. Nimmt man Handel und Zulieferindustrie hinzu, kommt man sogar auf 4,6 Millionen Menschen. Es ist noch immer der bedeutendste Industriezweig Deutschlands. Ganz aktuell aber machen neue Hiobsbotschaften die Runde. Bei VW und Mercedes brach der Gewinn im ersten Jahresquartal um jeweils über 40 Prozent ein. Die daraus resultierende Existenzfrage trägt der ZDF-Film im Untertitel: "War's das mit Wohlstand?"
Das fragen sich unter anderem am VW-Standort Zwickau die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Florian Neuhann trifft hier die junge Angestellte Stephanie Haferkorn. Seit 16 Jahren ist sie bei VW. Als der ZDF-Reporter im sächsischen Werk eintrifft, mobilisiert sie für den Arbeitskampf: "Es geht einfach um alles gerade."
"Deshalb ist es für andere auch gut, dass wir gut verdienen"
Das einstige Vorzeigewerk, bei dem nur Elektroautos produziert werden, stand lange auf der Kippe, wurde nun auf Zeit und unter Schmerzen gerettet. "Man merkt trotzdem, dass ziemlich viel kaputtgeht, es ist nicht nur VW, denen es schlecht geht, sondern allen anderen, und das macht Angst", sagt Stephanie Haferkorn, die gerade für ihre Familie ein Haus gebaut hat.
In den Werkshallen legt Reporter Neuhann den Finger in die Wunde: "Man verdient gut hier", behauptet er. "Ja, das kann man sagen", kommt die ehrliche Antwort. "Manche sagen, man verdient zu gut", hakt der ZDF-Mann nach. Die VW-Angestellte rechtfertigt sich: "Ja, aber wir bringen ja auch das Geld in die Gesellschaft. Deshalb ist es für andere auch gut, dass wir gut verdienen."
Die Gewerkschaft IG Metall forderte zum Zeitpunkt des Drehs 7 Prozent mehr Gehalt. Der Konzern aber wollte die Gehälter aller Beschäftigten um 10 Prozent kürzen. "Wäre das vorstellbar, alle verzichten, damit die Jobs erhalten bleiben?", will Neuhann von seiner Gesprächspartnerin wissen. "Man könnte darüber reden, wenn die Vorstände einen Zukunftsplan offenlegen würden", kommt die skeptische Replik. "Es ist nicht okay zu sagen, ihr kriegt 10 Prozent weniger, aber wie es weitergeht, wissen wir gar nicht." Zumal sich das Konzernmanagement "das Geld trotzdem weiter in die Tasche" packe.
"Man sollte weiter auf Verbrenner setzen, das ist das, was wir können"
In Wolfsburg, beim VW-Stammsitz, hört der ZDF-Journalist Ähnliches. Viel Abstiegsangst. Und eine deutliche Warnung vor einem verheerenden Dominoeffekt. "Das verstehen immer viele nicht", sagt Michael Speracio, seit 35 Jahren bei VW und Vertrauensmann der Gewerkschaft: "Ein Volkswagen-Arbeitsplatz sind draußen sieben andere. Angefangen von der Bäckereifachverkäuferin bis zur Erzieherin. Wenn bei Volkswagen keiner mehr arbeitet, bleiben die Kinder zu Hause und keiner kauft mehr seine Brötchen, keiner fährt auf dem Weg zur Arbeit tanken. Das ist ein Riesen-Rattenschwanz."