"Spielt Feinden der Demokratie in die Hände": Linken-Politikerin warnt in der ARD vor "Herbst der Reformen"
Autor: teleschau - Doris Neubauer
, Dienstag, 16. Sept. 2025
Bei Maybrit Illner stand es genauso zur Diskussion wie bei Markus Lanz, und auch Louis Klamroth widmete sich bei seiner ersten Sendung nach der Sommerpause dem scheinbaren Lieblingsthema aller deutschen Talkshow-Moderatoren: dem von Bundeskanzler Merz angekündigten "Herbst der Reformen".
78 Prozent müssen es wissen: So viele sind laut aktueller Infrastest-Umfrage unzufrieden mit Friedrich Merz und seiner schwarz-roten Regierung. Dass die CDU bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen den ersten politischen Stimmungstest mit Ach und Krach bestanden hat, ist da ein schwaches Trostpflaster. "Wir müssen jetzt aber wirklich ins Handeln kommen", betonte Matthias Miersch, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der SPD, die mit 22 Prozent in Merz' Heimat das schlechteste Ergebnis seit 1945 eingefahren hatte.
Er wiederholte damit bei Louis Klamroths erster "Hart aber fair"-Sendung nach der Sommerpause, was der Bundeskanzler als "Herbst der Reformen" angekündigt hatte. Beim Bürgergeld, der Rente und der Krankenversicherung soll gespart werden, um Budgetlöcher von mehr als 170 Millionen Euro zu stopfen. Denn, um erneut Merz zu zitieren: "Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten."
"Sozialleistungen zu teuer - Bullshit oder bittere Wahrheit?", gab sich Klamroth schon mit dem Titel dieser Talkshowausgabe angriffslustig wie eh und je. Zu welcher Antwort sie tendierte, daraus machte Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsabgeordnete und frühere Parteivorsitzende) keinen Hehl: "So ein Satz ist kein Reformvorschlag", fauchte sie, "können wir es uns leisten, dass auf riesige Erbschaften keine Steuer gezahlt wird? Können wir es uns leisten, dass jeder Zweite keinen Notgroschen von 2.000 Euro hat? (...) Das Motto bei Merz ist: Die, die wenig haben, werden ärmer und die, die viel haben, werden geschützt."
Es entstehe der Eindruck, man wolle das Geld "bei den Ärmsten der Armen herausquetschen", warnte auch Katja Kipping (Geschäftsführerin von "Der Paritätische"). Seit 2020 habe sich die Armut verschärft. Jetzt über Kürzungen von Sozialleistungen nachzudenken, "führt zu einer sozialen Verunsicherung und spielt den Feinden der Demokratie in die Hände", verwies die frühere Linken-Parteivorsitzende auf das Erstarken der AfD.
Thorsten Frei (CDU): "Nur über Einnahmen zu sprechen, geht am Thema vorbei"
Widerspruch kam naturgemäß von Thorsten Frei (CDU, Chef des Bundeskanzleramts) und Matthias Miersch (SPD, Vorsitzender der Bundestagsfraktion). Ihnen versuchte Louis Klamroth beharrlich Antworten auf die "Grundfrage der Sendung" zu entlocken: "Wen treffen die Reformen im Herbst? Wer muss mehr bezahlen, wer bekommt mehr Geld?", stellte er sie immer und immer wieder.
Während Miersch die Erbschafts- und Vermögenssteuer als einen Punkt auf der Tagesordnung der Regierungsparteien betrachtete, sah Frei beim Erben keine Notwendigkeit, Schlupflöcher zu stopfen. Vermögen müsse unterschiedlich bewertet werden, meinte er: Werde Privates vererbt, sei das der Erbschaftssteuer unterworfen. Werde ein Unternehmen vererbt und die Erbschaftssteuer so erhöht, dass dieses verkauft werden müsse, würde man "Innovationen und Strukturpolitik einen Bären erweisen", sprach er sich gegen "Herumdoktern" am Erbschaftssteuerrecht aus. Da brauche es ein Konzept, das passt.
Ein solches hatte Lang parat. "Wir gehen an die Ausnahmen der Erbschaftssteuer ran und investieren es in Schulen und Kitas", schlug sie vor, den Fokus vom hoch besteuerten Einkommen doch auf diese "Schlupflöcher" zu legen.